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Neuer Regent in Beirut

■ Der Politveteran Salim Hoss soll Libanons Regierung führen. Eine Übergangslösung?

Berlin (taz) – Libanons politische Erneuerung kommt in altem Gewand daher. Drei Tage nachdem Premierminister Rafik Hariri sein Amt hingeschmissen hat, steht sein Nachfolger fest: Salim Hoss, 68 Jahre alt und während des Bürgerkriegs bereits dreimal Regierungschef. Gestern beauftragte der neue Staatspräsident Emile Lahud den Politveteran mit der Regierungsbildung. Zuvor hatten sich 95 der 128 Parlamentsabgeordneten für Hoss ausgesprochen.

Posten im Zentrum der libanesischen Macht werden nach religiösem Proporz verteilt: Der Staatspräsident hat maronitischer Christ zu sein, der Regierungschef sunnitischer und der Parlamentspräsident schiitischer Muslim. Zusammen bilden sie Libanons Troika. Doch der Sunnit Hoss ist mit einer Christin verheiratet. Ihm werden gute Kontakte zu reichen christlichen Libanesen im Exil nachgesagt. Sie könnten Verluste wettmachen, die der Abgang des Milliardärs Hariri nach sich zieht. Doch die Bevölkerung ist skeptisch. Beiruts Banken verzeichneten in den letzten Tagen eine verstärkte Nachfrage nach US-Dollars.

„Zurück in die Zukunft“ überschrieb die Zeitung The Daily Star einen Text über Hoss. Seine Ernennung gilt als Übergangslösung vor grundlegenden Reformen bis zu den Parlamentswahlen im Jahr 2000. Bisher hat keiner der politischen Akteure offiziell die „Schutzmacht“ Syrien konsultiert. Sie wacht über die Einhaltung des 1989 bei einer Nationalen Versöhnungskonferenz im saudischen Taif ausgehandelten religiösen Proporzes. Bei dem derzeitigen Kampf in der libanesischen Führung ginge es um „die Machtbalance im gesamten libanesischen Staat“, meint deshalb Michael Young vom in Beirut erscheinenden Lebanon Report. Und die Politologin Fadia Kiwan hofft gar, daß Libanons System der Troika zu Ende geht. Thomas Dreger

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