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■ Die internationale Mission in Bosnien-Herzegowina droht zu scheitern. Die Ifor-Truppen wollen es allen recht machenNeuer Krieg in Bosnien?

Die Kosten, die der internationale Militäreinsatz in Bosnien- Herzegowina verursacht, sind enorm. Zwar liegen jene schief, die mit dem Argument der Kosten den Rückzug der Ifor-Truppen fordern oder gar den zivilen Sektor gegen die Ifor ausspielen wollen. Denn ohne den Militäreinsatz wäre es nicht einmal zu einem Waffenstillstand gekommen. Ohne die Ifor könnten die zivilen Institutionen nicht an den Wiederaufbau, die Rückführung der Flüchtlinge und die Abhaltung von Wahlen denken. Wer also ernsthaft für einen stabilen Frieden in Bosnien-Herzegowina eintritt, muß für den Einsatz der internationalen Truppen sein. Und, wenn nötig, sogar für die Verlängerung ihres Mandats. Dies bedeutet andererseits keineswegs, daß sich die Militärs im kritiklosen Raum befänden. Und diese Kritik wird bitter nötig sein, um den internationalen Militäreinsatz nicht zu einem Fehlschlag werden zu lassen.

Die Fehler nämlich, die durch alle internationalen Institutionen, einschließlich der Ifor, gemacht werden, häufen sich. Waren die Truppen anfänglich kompromißlos aufgetreten und hatten sie sich Respekt verschafft – zum Beispiel, als sie die Kontrollpunkte der Kriegsparteien beseitigten und damit die Bewegungsfreiheit in ganz Bosnien-Herzegowina ermöglichten –, so gehen sie jetzt den Konflikten zunehmend aus dem Wege. Die Ifor-Truppen nehmen Positionen ein, mit denen die Truppen der UNO, die Unprofor, schon einmal gescheitert sind: Sie wollen bei den Konflikten vermitteln und es allen recht machen, anstatt die in Dayton beschlossenen Maßnahmen energisch durchzusetzen.

Ein Beispiel dafür ist die neu entstandene Rückkehrbewegung von Vertriebenen. Die war zwar im Dayton-Vertrag nicht vorgesehen, wurde jedoch durch Dayton erst ermöglicht: Das Versprechen auf Rückkehr wird nämlich von vielen Menschen ernst genommen. Viele der Vertriebenen wollen nach Hause. Sie haben es satt, in Flüchtlingslagern in Bosnien-Herzegowina zu vegetieren oder als Menschen zweiter Klasse in einem fremden Land zu leben. Die meisten dieser Flüchtlinge sind von der serbischen Seite 1992 vertrieben worden und müßten in das serbisch kontrollierte Gebiet zurückkehren. Nur wenn ihnen Sicherheit und Bewegungsfreiheit garantiert werden, ist es möglich, sie aus den Aufnahmeländern zurückzuschicken.

Bei den Zusammenstößen der letzten Tage machte die Ifor keine gute Figur. Es dürfte von den internationalen Truppen nicht geduldet werden, daß teilweise mit Waffen ausgestattete, organisierte Extremisten versuchen, die Vertriebenen an einem Besuch ihrer Heimatorte zu hindern. Muslime verhinderten den Besuch von ehemaligen serbischen Einwohnern der Stadt Bosanski Petrovac. In Sanski Most, Doboi, im Mejevica-Gebirge und bei Goražde gingen Serben gewalttätig gegen muslimische Rückkehrer vor. Trotz der Toten und der Verletzten versuchte Ifor, die Gruppen lediglich zu trennen, anstatt die Rückkehrer zu beschützen. Wenn die Ifor-Truppen selbst neue Straßensperren errichten und die Straßenverbindungen zwischen den Entitäten unterbrechen, dann bleibt ein Kernstück der zivilen Umsetzung des Friedensprozesses auf der Strecke: das verbürgte Recht auf die Bewegungsfreiheit für alle Menschen in ganz Bosnien-Herzegowina.

Gelingt es aber nicht, die Bewegungsfreiheit durchzusetzen, wird die Herrschaft der Extremisten in den einzelnen Entitäten zementiert. Die Strategie, durch Verhandlungen mit den herrschenden Eliten Kompromisse zu erreichen und ihnen Schritt für Schritt Zugeständnisse abzuringen, führt nicht weiter. Da vor allem die serbischen und kroatischen Eliten kein Interesse daran haben, ihre Politik der ethnischen Säuberungen aufweichen zu lassen, kommen ihnen alle Kompromisse entgegen. Sie gewinnen Zeit, die Umsetzung der ihnen unangenehmen Bestimmungen des Dayton-Vertrages zu verzögern.

Leider durchbricht auch die OSZE dieses Gefüge nicht. So werden bei den im September vorgesehenen Wahlen einseitig die nationalistisch ausgerichteten Parteien bevorzugt und damit die demokratischen Parteien benachteiligt. Die Machtstrukturen der Extremisten in den Entitäten werden durch die Wahlen nicht – wie ursprünglich erhofft – geschwächt. Ins Bild paßt weiterhin, daß Ifor- Soldaten wegsehen, wenn sie mit weltbekannten Kriegsverbrechern konfrontiert werden: Radovan Karadžić und Ratko Mladić sind trotz der neu erstellten Fahndungslisten nicht verhaftet worden.

Nicht nur der ehemalige Ministerpräsident Haris Silajdžić, der ein Oppositionsbündnis anführen wird und auf Stimmen sowohl von Serben wie von Kroaten und Muslimen hoffen kann, warnt vor den Konsequenzen dieser Politik. Die Politik der Verfestigung der Teilung Bosniens, so Silajdžić, werde in einen neuen Krieg führen.

Anzeichen dafür gibt es in der Tat. Gerade bei denjenigen, die im Dayton-Vertrag zu kurz gekommen sind. So sieht es die bosnisch- muslimische Führung nicht ungern, daß die Vertriebenen an der Rückkehr gehindert werden. Denn je mehr Zusammenstöße es gibt, desto mehr wird der Boden für einen neuen Waffengang psychologisch vorbereitet. Die Rückkehrbewegung stützt ausgerechnet diejenigen Militärs in der bosnischen Armee, die sich nur zähneknirschend dem Diktat aus Dayton beugten.

Sie haben mit der serbischen wie der kroatischen Seite noch Rechnungen zu begleichen. Ausgerüstet mit neuen Waffen, könnten sie versucht sein, sich das mit Gewalt zu holen, was über einen friedlichen Prozeß nicht erreichbar ist. Da es auch auf der serbischen Seite Militärs und Politiker gibt, die sich nicht mit der Niederlage in Kroatien und Bosnien abfinden wollen, könnten sich diese Kräfte gegenseitig hochspielen.

Es wird jetzt sogar zunehmend über die Möglichkeit einer Koalition zwischen den Muslimen und Serben gegen die Kroaten gesprochen. Nationalistische Extremisten – das ist die Lehre aus fünf Jahren Krieg auf dem Balkan – scheuen vor keinem noch so undenkbar erscheinenden Winkelzug zurück, um sich selbst Vorteile zu verschaffen.

Wenn die internationalen Institutionen also weiterhin den Extremisten in die Hände spielen, anstatt nach und nach auch gegen deren Widerstände die zivilen Seiten des Dayton-Abkommens durchzusetzen, ist angesichts solcher Szenarien ein Scheitern der gesamten Mission wahrscheinlich. Und dann wäre in der Tat nur viel Geld zum Fenster hinausgeworfen worden. Erich Rathfelder

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