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Neuer Alltag?-betr.: "Die erste Schuld hat der, der schweigt", taz vom 28.11.92

betr.: „Die erste Schuld hat der, der schweigt“, taz vom 28.11.92

[...] Beim Lesen des Artikels fällt mir etwas auf. Was dort die türkischen Männer als ihren neuen Alltag in Deutschland beschreiben – daß sie mit Überfällen auf ihre Person rechnen, im Dunkeln nicht mehr allein auf die Straße gehen, immer wachsam und vorsichtig sind – ist schon immer gewaltiger Alltag von Frauen.

Der Unterschied: Es passiert vermutlich wesentlich häufiger, daß Frauen mißhandelt, vergewaltigt, ermordet werden – weil sie Frauen sind –, und selten sind die Täter anonyme Gruppen, sondern den betroffenen Frauen oftmals bekannt. Ich frage mich, wie kommt es, daß hier kein Aufschrei durch die Gesellschaft geht, daß nicht Tausende zur Beerdigung einer vergewaltigten und ermordeten Frau kommen, daß keine Maßnahmen und Großdemos geplant werden und Männer und PolitikerInnen nicht eindeutig Position beziehen.

Konkretes Beispiel aus dem Artikel: Ich vermute, daß der Betriebsrat von Hoesch längst nicht so strenge Maßnahmen gegen Sexismus anwendet (falls überhaupt), wie er sie gegen Rassismus anwenden will. Und ich kann mir nicht vorstellen, daß es dort eine Telefonkette für von (Ehe-)Männern bedrohte Kolleginnen gibt, wie es sie für von Rassismus bedrohte KollegInnen, gibt.

Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich bin nicht gegen Antirassismus, sondern ich bin für Aktionen usw. gegen Sexismus und Rassismus. Denn ich denke, beide haben die gleichen Wurzeln, da sie die Verachtung einer bestimmten Personengruppe gemein haben. U.Sher, Mainz

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