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Neuer AIDS–Wirkstoff wird in der BRD erprobt

■ Seit März in den USA im Gebrauch / Aus Heringssperma hergestellt / Neues Patientenkollektiv / Kliniken bleiben geheim

Bonn (taz) - Demnächst wird auch bei der Behandlung von 60 bundesdeutschen AIDS–Patienten der neue Wirkstoff Azidothymidin in einer klinischen Studie erprobt. Die Studie wird von der Paul Ehrlich–Gesellschaft in Westberlin koordiniert und in Zusammenarbeit mit dem Robert Koch–Institut des Bundesgesundheitsamtes und der Herstellerfirma Wellcome durchgeführt. Der Wellcome–Konzern hat den aus Heringssperma und deshalb nur in sehr kleinen Mengen zu gewinnenden Wirkstoff seit März dieses Jahres in den USA erprobt (siehe taz vom 22.9.86). Dabei stellte sich heraus, daß das Medikament bei der Behandlung der durch AIDS verursachten Lungenentzündung die Krankheit in etlichen Fällen verzögern und lindern konnte. Allerdings wurden auch erhebliche Nebenwirkungen, vor allem Anämien, beobachtet. In der BRD sollen jetzt auch Menschen, die an einer Vorstufe von AIDS (ARC) leiden, einbezogen werden. „Wir wollen versuchen, so früh wie möglich in die Entwicklung der Krankheit einzugreifen, um die Therapiechancen zu erhöhen und den Übergang von ARC zu AIDS vielleicht sogar zu verhindern“, begründete ein Mitarbeiter des Bundesgesundheitsamtes gegenüber der taz die Ausweitung der Indikation. Die Finanzierung der auf ein halbes Jahr begrenzten Studie, die unter gleichen Bedingungen auch in an deren europäischen Ländern durchgeführt wird, wird weitgehend vom Forschungsministerium übernommen. Um einen Andrang von AIDS–Patienten zu verhindern, wird geheimgehalten, an welchen Kliniken die Studie durchgeführt wird. Derzeit arbeitet der Wellcome Konzern daran, das Azidothymidin mit Hilfe von chemischen Verfahren synthetisch herzustellen. Oliver Tolmein

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