: Neue alte Stärke
Der VfL Wolfsburg besiegt Cottbus souverän mit 3 : 0. VfL-Trainer Felix Magath hofft nun, demnächst Erhebliches zu leisten – einen Uefa-Cup-Platz aber sieht er trotz aller Fortschritte in weiter Ferne
von Peter Unfried
Eher selten geschieht es, dass die Zuschauer in Wolfsburg anfangen zu singen, dass das jetzt aber „schön“ sei. Der Grund liegt auf der Hand: Es ist selten schön. Am vergangenen Samstag, bei und nach Marcelinhos zweitem Treffer (76.) aber wurde einige Minuten richtig aufgespielt. Und folgerichtig sangen die Zuschauer.
Tatsächlich hat man VfL Wolfsburg wohl selten so haushoch überlegen gesehen wie beim 3 : 0 über den nunmehrigen Tabellenletzten Energie Cottbus. Das lag einerseits daran, dass Cottbus durch Treffer von Gentner (17.) und Marcelinho (19.) zügig 0 : 2 hinten lag – und danach nur noch das Ergebnis verwaltete. Andererseits ist es so, dass der VfL derzeit gut funktioniert und Spiele auch wieder klar gewinnen kann.
Zur Homogenität, Aggressivität und Zweikampfstärke als Defensivverbund kommt individuelle Klasse im Spiel nach vorn. Speziell der Dreifach-Sechser vor der Abwehr mit dem Japaner Hasebe, dem Brasilianer Josue und dem Schwaben Gentner kann inzwischen Spiele kontrollieren und entscheiden. Christian Gentner, 22, vom VfB Stuttgart ausgeliehen, hatte einen Treffer und einen Assist – und es war noch nicht mal eines seiner herausragenden Spiele.
Und Marcelinho? Er erzielte erstmals zwei Tore in einem Spiel für den VfL und war der Mann des Spieles. „Ich bin froh, etwas bewirkt zu haben“, sagte er, die orangenen Schuhe in der Hand, die Tochter zu Füßen. Elf Bundesligaspiele hatte er nicht mehr getroffen und davor nur zweimal. Er war im Pokalviertelfinale gegen Hamburg von manchem schon verhöhnt worden, ehe er in der Verlängerung den Siegtreffer erzielte.
„Marcelo hat zu alter Stärke zurückgefunden“, sagte Trainer und Sportdirektor Felix Magath, setzte dann aber ein vorsichtiges „hoffe ich“ hintendran. Zuletzt war er beim 1 : 3 in Karlsruhe „geschont“ worden, wie Magath grinsend sagte. Es war wohl tatsächlich so. Der späte Marcelinho, 32, spielt anders als früher bei Hertha und auch anders als vergangene Rückrunde, da er dem damaligen Trainer Augenthaler ins VfL-Team gedrückt worden war. Aber wenn er mit seinem linken Fuß zur Mitte zieht und der Gegner ist „sowas von weit weg“, wie der Cottbuser Timo Rost zurecht bemängelte, dann kann man auch heute davon ausgehen, dass Marcelinho das Ding mit seinem perfekten Schuss versenkt. So war es beim 1 : 0. Und wenn er den Ball abprallen lässt oder direkt spielt und ein Kollege wie Grafite tritt daneben, dann ist es bewundernswert, wie altruistisch er die Missachtung seiner Kunst hinnimmt und dem verlorenen Ball hinterherjagt.
Grafite, Wolfsburgs teuerster Einkauf (geschätzte 7,5 Millionen Euro) und bester Torjäger (8 Saisontreffer) tritt manchmal auf wie ein abgeklärter Klasse-Keilstürmer. Öfter aber spielt er fehlerlastig, sichert keine Bälle, hat keine Dribblings, begeht viele und skurrile Stürmerfouls. Dafür spielte der im Winter ausgeliehene Ljuboja erstmals durch und zeigte dabei, was er ist: ein schneller, trickreicher, raffinierter Ergänzungsstürmer. Überhaupt besteht eine Qualität des neuen Wolfsburg in der starken Bank, von der Talente wie Džeko ins Spiel kommen und solche wie Dejagah inzwischen sogar sitzen bleiben können.
Weil ein stabiler Mittelfeldplatz zwar eine enorme Verbesserung ist, aber geringen Unterhaltungswert hat, wurde Magath nach internationalen Ambitionen gefragt. „Haha,“ antwortete er. Am Sonntag geht es nach Bremen, am Mittwoch danach im Pokalhalbfinale zum FC Bayern, am Ostersamstag kommt der HSV. „Wir werden Erhebliches leisten müssen, um unseren Platz in der Tabelle zu behaupten.“ Der Uefa-Pokal sei „noch weit weg.“ Stimmt. Einerseits. Andererseits ist er genau zwei Pokalspiel-Siege entfernt.