piwik no script img

Neue Wege in der Drogenpolitik

■ Gesundheitsverwaltung schlägt stadtweit Hygieneräume vor / Schutz vor Verelendung / Polizei müßte mitmachen

In der festgefahrenen Drogendiskussion gibt es einen neuen Impuls. Die gesundheitliche Versorgung der rund 8.000 Junkies in Berlin könnte verbessert werden, ohne daß der Staat Gesetze verletzen und ohne daß in Berlin die Belästigung von Anwohnern durch herumliegende Spritzen zunehmen müßte. Einen entsprechenden Vorschlag unterbreitete Peter Bargstedt, Referatsleiter der Gesundheitsverwaltung, auf einer am Dienstag abend von „akzept e.V.“ veranstalteten Podiumsdiskussion. Bargstedt favorisiert eine großflächig angelegte Zahl sogenannter Hygieneräume, in denen Fixer unbehelligt von der Polizei und ohne Aufsicht von Ärzten oder Sozialarbeitern drücken können.

Zur Zeit müssen obdachlose Junkies sich ihren Schuß auf Kinderspielplätzen, in Treppenhäusern und Bahnhofstoiletten setzen. Die unhygienischen Bedingungen belasten die durch den Drogenkonsum ohnehin geschwächte Gesundheit zusätzlich. Die Gesundheitsverwaltung finanziert mit 800.000 Mark jährlich Spritzenautomaten, ein Präventions- und ein Arztmobil, um die Gesundheit Drogenabhängiger „soweit wie möglich zu erhalten“.

Doch in den vergangen Monaten hat die Polizei ihre Präsenz und Einsätze gegen die offene Drogenszene vorzugsweise am Breitscheidplatz und der Kurfürstenstraße verstärkt. Der Umsatz von sterilen Spritzen an den Automaten sei auf Grund der staatlichen Vertreibung teilweise auf ein Fünftel zurückgegangen, berichtete Bargstedt. Internist Michael de Ridder, der im Arztmobil Bereitschaftsdienst leistet, sagte der taz, daß die tägliche Zahl der 12 bis 20 Patienten auf vier zurückgegangen sei. Wenn die Polizei so weitermache, „können wir sämtliche Angebote einstellen“, sagte Bargstedt.

Sowohl Berlins Drogenbeauftragte Elfriede Koller wie auch der Vertreter der Innenverwaltung Klaus Zuch bekannten sich zu dem vom Senat getragenen „niedrigschwelligen Angebot“ der Gesundheitsverwaltung. In einem Gespräch zwischen Verwaltungen und dem Polizeipräsidenten soll geklärt werden, wie sich die Polizei zukünftig verhalten soll. Doch beide betonten auch, daß es angesichts geltender Gesetze keine Spielräume gebe. „Drogenhandel und Schmuggel müssen strafrechtlich verfolgt werden“, meinte Zuch. Und Koller verwies darauf, daß Angebote für die offene Szene für Anwohner „sozialverträglich“ bleiben müßten. Eine zu starke Konzentration von Fixern sei nicht wünschenswert, sagte auch Bargstedt.

Ein stadtweites Angebot von Hygieneräumen käme den Interessen von Anwohnern deshalb entgegen, sagte der Referatsleiter der Gesundheitsverwaltung. Ein möglicher Träger könne die Kirche sein. Noch gibt es allerdings kein Konzept. Die Idee der Hygieneräume werde von der Verwaltung geprüft, teilte Bargstedt mit. Doch eins sei klar: Dieses Modell könne nur funktionieren, wenn die Polizei die Junkies nicht behellige. Dirk Wildt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen