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Neue Waffen braucht die Nato

■ Bei der Brüsseler Tagung der NATO–Verteidigungsminister werden ab heute die Weichen für die Aufrüstung mit neuen Nuklearwaffen gestellt / Allen Behauptungen zum Trotz: Bonn ist dabei

Aus Genf Andreas Zumach

Entscheidende Weichenstellungen für die Aufrüstung mit neuen nuklearen Kurz– und Mittelstreckenwaffen sowie massiver US– Druck auf die Bundesregierung zur Erhöhung der Militärausgaben sind von der heute in Brüssel beginnenden „Defence Planing Committee“ (DPC)–Tagung der NATO–Verteidigungsminister zu erwarten. Auf der alle zwei Jahre in der zweiten Maihälfte stattfindenden DPC–Tagung werden die geheimen „Streitkräfteziele“ der Allianz für die kommenden sechs Jahre - in diesem Fall also bis 1994 - verabschiedet. Für den Zeitraum bis 1994 planen die USA die Einführung des „Taktischen Armeeraketensystems“ (ATACMS) mit nuklearem Sprengkopf als Nachfolge für die vor allem in der Bundesrepublik stationierten Lance–Raketen. ATACMS mit konventionellem Sprengkopf ist bereits bei der US– Armee eingeführt. Mit dem neuen System soll der Mehrfachraketenwerfer (MARS) ausgerüstet werden, von dem bereits 300 in der Bundesrepublik stationiert sind. Großbritannien plant ab Anfang der neunziger Jahre die Ausrüstung der Tornado–Flugzeuge mit Atomraketen, was eine Kompensation für unter dem INF–Vertrag wegverhandelte Waffen bedeutet. Nach NATO–üblicher Entscheidungsprozedur erfolgt die „Verabschiedung“ der gemeinsamen Planung lediglich durch Bekanntgabe der nationalen Streitkräfteziele durch den jeweiligen Verteidigungsminister, ohne daß seine Kollegen ausdrücklich zustimmen müssen. Auch nach einer entsprechenden Mitteilung hinsichtlich ATACMS durch US– Verteidigungsminister Carlucci wird die Bundesregierung daher bei ihrer offiziellen Behauptung zu bleiben versuchen, eine „Entscheidung“ über die Nachfolge der Lance–Raketen falle „frühestens 1992“. Zumal die Streitkräfteplanung der NATO geheim ist und darüber nichts im Kommunique der Brüsseler Tagung stehen wird. De facto stimmt Bonn in Brüssel jedoch einem weiteren Abschnitt des „Modernisierungsfahrplans“ zu, der bislang gesperrte Haushaltsmittel für die Produktion der nuklearen ATACMS–Variante zu erhalten. Der Bundestag und die Parlamente der anderen westeuropäischen NATO–Staaten werden aber - wenn überhaupt - frühestens vor einer Stationierung neuer Nuklearsysteme informiert. Bislang ist fast sämtlichen zunächst nationalen Streitkräftezielen der USA die gemeinsame Streitkräfteplanung, Produktion und schließlich NATO–weite Einführung neuer Waffensysteme gefolgt. Das gilt selbst für die binären chemischen Waffen. Zum ersten Mal in der NATO–Geschichte band der US–Kongreß die Bewilligung ihrer Produktion an die formale Zustimmung der Verbündeten. 13 der 16 NATO–Verteidigungsminister trugen auf der letzten DPC–Tagung im Mai 1986 zwar zum Teil gravierende Bedenken vor, doch niemand legte formalen Widerspruch ein. Reagan konnte dies dem Kongreß als Zustimmung verkaufen. Die Produktion der Binärwaffen läuft seit Dezember 87 auf vollen Touren. Ihre Stationierung in Westeuropa ist bis heute nicht definitiv ausgeschlossen, ein Abkommen bei den Genfer Chemiewaffenverhandlungen in weite Ferne gerückt.

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