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Neue Rollen für das Kino

■ Das Kommunale Kino in Bremen feiert 20. Geburtstag: Ein kurzer Schwenk durch die filmreife Geschichte des Hauses/ Ab heute Festprogramm

Das waren noch Zeiten, als der Klassenkampf praktisch gleich um die Ecke tobte: An der Sielwallkreuzung nämlich, wo seinerzeit ein „ideologisches Missionarskino“ unterhalten wurde. So und ähnlich dröhnte die konservative Kritik über das erste Bremer Kommunalkino, das sich u.a. im „Cinema“ eingenistet hatte. „In einem offenbar chaotisch-maoistischen Sinne“, argwöhnte der CDU-Filmkenner Wolfgang Maass, sollte hier mit dem Mittel des Films wohl „zur Gesellschafts- und Systemveränderung beigetragen werden“. Also: Keine Mark mehr für den jungen Verein. Das war 1975. Das KoKi hat die CDU überlebt und feiert seinen 20sten Geburtstag. Am System hat sich leider nicht viel verändern lassen; aber so ganz wollen die Nachkommen der linken Gründergeneration vom politischen Anspruch des Kinos doch nicht lassen.

„Andere Filme anders zeigen“: Das Schlagwort aus der Blütezeit der Kommunalen Kinos hat für die Bremer noch heute Bedeutung, sagen die vier MitarbeiterInnen. Auch, wenn das Filmprogramm sich nicht mehr so schön kämpferisch gibt wie dazumal. „Filme aus der Arbeitswelt/Arbeitskämpfe“ bot das allererste Programm im Mai –74 auf: „Mutter Krausens Fahrt ins Glück“ und „Kuhle Wampe“ – letzterer läuft jetzt im Festprogramm, als historische, wenn nicht nostalgische Rückblende. „Wir haben schon ein anderes Verständnis von Aufklärung gewonnen“, sagt Karl-Heinz Schmid: nicht agitieren, sondern informieren, und zwar möglichst differenziert. „Es glaubt ja heute keiner mehr“, sagt Kollegin Christine Rüffert, „daß ich gleich die Fahne ausrolle, wenn ich gerade einen politischen Film gesehen habe.“

Ein anderes Kino: Das bedeutet für das neue Team vor allem, Öffentlichkeit zu schaffen. Für die Bilder der Filmgruppe Saga aus Sarajewo; für die Experimente des unabhängigen US-Filmemachers Jon Jost; für die Biografie einer indischen Kino-Stuntfrau der 30er Jahre; für eine Reihe mit halbvergessenen Ami-Komödien. Damit die Leute drüber reden: Einen Ort für „Begegnung“ zu schaffen – „das ist für uns ein Konzept“, sagt Rüffert.

So wirft das KoKi-Publikum immer wieder Blicke in die unterbelichteten Ecken der Filmkultur. Selbst, wenn sich dort inzwischen auch die etwas besserbetuchten Kinos tummeln. Das KoKi zeigte vor Jahren eine Aki-Kaurismäki-Reihe, „als es noch gar keine deutschen Kopien gab.“ Inzwischen stürzen sich die Innenstadtkinos auf den finnischen Heimatfilmer, der sich längst zum Erfolgsgaranten entwickelt hat.

Es geht aber auch andersherum. Hollywoodfilme, der große Kommerz also, sind im KoKi nicht mehr kategorisch ausgeschlossen. Zu Silvester kam sogar Kevin Costner auf die Leinwand – allerdings in Begleitung einer ganzen Robin-Hood-Reihe, die den Bogen aus der Stummfilmzeit bis zum heutigen Action-Kino spannte. Die Mischkalkulation zwischen Experiment und Kassenschlager ist freilich auch ein Tribut an die neuen Maßgaben der zahlenden Kulturbehörde. Besonders freigebig zeigte sich der Senat zwar nie – selbst der Startbetrag von 50.000 Mark stand sofort wieder zur Diskussion. Heute stehen dem Medienzentrum mit all seinen Funktionen 980.000 Mark p.a. zur Verfügung – verbunden mit der Maßgabe, neben allen politischen Ansprüchen doch möglichst einträglich zu wirtschaften.

Ein Stück der großen Utopie ist immerhin doch noch Wirklichkeit geworden. Mit dem Umzug vom „Cinema“ im Ostertor nach Walle, ins neue Medienzentrum, hat 1993 die Idee vom Kommunalkino mit eigener Abspielstätte feste Form gewonnen – auch das „war für uns immer ein politischer Anspruch“, sagt Christine Rüffert. Als Untermieter im „Cinema“ konnte der Verein seine eigenen, hohen Ansprüche ans Kino kaum einlösen. Nur viermal pro Woche Filme zeigen, auf der nicht eben beliebten „19-Uhr-Schiene“: So ging's einfach nicht, und so ging's doch fast 19 zähe Jahre lang.

Wer heute ins „Kino 46“ kommt, wie es inzwischen heißt, spürt wenig von der bewegten Geschichte der Institution. Die gibt der weiße Klinkerbau nicht her. Keine Außenwerbung, auch kein einladendes Foyer, an dessen Wänden vielleicht die Fetzen vergangener Filmnächte und -diskussionen hängen könnten. Das Kino hat sich mit der Neubauatmosphäre heute halbwegs arrangiert. Etwa die Hälfte des ehemaligen Stammpublikums aus den Ostertorzeiten ist nicht mitgezogen, schätzt Rüffert. Dafür hat man in Walle „viel neues Publikum“ erschlossen: So scheint am Ende vielleicht doch noch ein wenig von jener politischen Stadtteilarbeit auf, die sich das Kino vor 20 Jahren vorgenommen hatte . tom

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