: „Neue Rechte“
■ betr.: „Kein Grund zur Beruhi gung“, taz vom 15.7. 97; „Die Neue Rechte im Aus“, taz vom 25.6. 97; „Die neue ,Konservative Revolution‘“, taz vom 20.6. 97
Es ist sicherlich eine sehr gute Nachricht, daß Deutschland bisher zumindest ein Erstarken der Rechtsradikalen erspart geblieben ist. Weniger erfreulich jedoch ist die Tendenz der taz, die Rechtsaußenpolitik von Schönhuber, Gauweiler und Konsorten mit neoliberaler Wirtschaftspolitk in einen Topf zu werfen.
Wer sich ein wenig in der Welt umschaut, wird feststellen, daß viele Länder mittlerweile einen Umbau des Sozialstaates in Angriff genommen haben. In Großbritannien hat Labour unter Tony Blair gerade beschlossen, diese Tory-Reformen unangetastet zu lassen und sie sogar weiter auszubauen. Dennoch teilen weder Blair noch die Labour Party nennenswerte Gemeinsamkeiten mit Schönhuber und den „Republikanern“. Ganz im Gegenteil stehen die „Republikaner“ für eine protektionistische Wirtschaftspolitik und einen starken Sozialstaat.
In den nächsten Jahren wird auch Deutschland die Diskussion um den schlanken Staat und den Umbau des Wohlfahrtssystems erreichen. Die Mehrheit der Protagonisten dieser Politik verteufeln weder die 68er Generation noch andere liberale Errungenschaften im gesellschaftlichen Bereich. Viele der jungen CDU-Leute zum Beispiel treten ausdrücklich für ein neues liberales Staatsbürgerschaftsrecht ein. Es wäre ein schwerer Fehler der taz und anderer linker Medien und Politiker, diese Strömungen undifferenziert als „Neue Rechte“ abzutun. Sie verdienen eine sorgfältigere Auseinandersetzung. Markus Moebius,
Massachusetts, USA
Mit Interesse verfolge ich schon seit geraumer Zeit die Diskussion in der taz. Aus allen Beiträgen läßt sich, bei unterschiedlicher Gewichtung, übereinstimmend feststellen, daß die „Neue Rechte“ eine Verantwortung für die geistige Vorbereitung oder Legitimation von rechtsextremem Gedanken„gut“ trägt. Darüber hinaus fördert sie rassistische Straftaten und legitimiert Diskussionen, die keine sein dürften. [...] So weit, so gut. Dem wäre ja prinzipiell nichts hinzuzufügen, wenn da nicht die Analogie zur Konservativen Revolution in der Weimarer Republik bestünde.
Auch in jenen Jahren etablierte sich eine „Neue Rechte“ (zum Beispiel Moeller van den Bruck, Oswald Spengler u.a.), die als geistige Vorbereiter für das spätere NS- Regime verantwortlich waren. Was in der bisherigen Diskussion fehlt, ist die Reflexion des politisch-gesellschaftlichen Gesamtzusammenhanges, die Strukturen einer Gesellschaft, die es ermöglichen, dem pseudointellektuellen Gerede der „Neuen Rechten“ einen Nährboden zu geben! Dabei ist die Reduzierung auf das ewig böse kapitalistische System, wie es immer wieder seitens der marxistischen Richtung propagiert wird, zu einseitig. Zum einen, weil dadurch strukturelle Zusammenhänge der Gesellschaft auf eine Ursache komprimiert werden, und zum anderen, da es sich um ein im Kern totalitäres Analyseraster handelt, welches mit dem Mittel, was es kritisiert, argumentiert – den Totalitarismus. Als entscheidend wirkt der Zustand der Einseitigkeit der Argumentation. Dieser rekrutiert sich aus dem Anspruch der totalitären Erwartungshaltung. Lösungen werden reduziert auf wenige oder nur einen Problemzusammenhang (zum Beispiel die „Neue Rechte“). Dies scheint mir der Schwachpunkt der Analyse zu sein. Die Adaption konservativer oder rechtsextremer Gedanken bedarf eines Zustandes der Gesellschaft, der das Interesse für totalitäre Ansätze offenhält.
Anstelle einer intensiven Auseinandersetzung mit den Problemen der heutigen Zeit, was ein hohes Maß an Differenzierung verlangt, da es sich in der Regel um multifaktorelle und globale Konflikte handelt, wird durch die Medien, zum Teil auch in der Schule und die Erziehung im Elternhaus, reduziert und relativiert mit dem „Erfolg“, daß sich Fragmente eines totalitären Konsenses herauskristallisieren. Hier knüpft dann die „Neue Rechte“ (aber auch die vulgärmarxistische Richtung) mit ihren einfachen und schnellen Lösungsvorschlägen an. Ob es sich nun um die plumpen Äußerungen nach weniger „Asylanten“ oder die Forderung handelt, das Gesellschaftssystem abzuschaffen, die Probleme werden auf eine Ursache reduziert, da es scheinbar den Menschen immer schwerer fällt, die Schwierigkeiten dieser Zeit in ihrer Komplexität zu erfassen. Die Gefahr in der heutigen Zeit besteht demnach nicht im Gefasel der „Neuen Rechten“, einer Erscheinung, mit der jede intakte Demokratie zu „kämpfen“ hat, sondern in den Umständen, die es ermöglichen, daß Teile der Bevölkerung demgegenüber immer aufgeschlossener werden. Und eben die gilt es zu diskutieren, wie zum Beispiel der Wunsch vieler Menschen, einfache und schnelle Lösungen in einem System der Vielschichtigkeit zu akzeptieren. Zur Zeit der Weimarer Republik entwickelte sich eben diese Haltung der Bevölkerung letztlich in der Billigung eines NS-Regimes. Stephan Stomporowski,
Hamburg
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