Neue Präsidentin des EU-Parlaments: Jung und erzkonservativ
Roberta Metsola, 43-jährige Malteser Christdemokratin, tritt die Nachfolge ihres verstorbenen Vorgängers an. Linke und Grüne verweigerten ihr die Stimme.
Als sie schließlich von Manfred Weber, dem deutschen Chef der konservativen EVP-Fraktion, aufs Tapet gehoben wurde, rieben sich viele verwundert die Augen. Warum Metsola, die erzkonservative Abtreibungsgegnerin?
Weil sie jung ist – am Dienstag feierte sie ihren 43. Geburtstag – und eine Frau, lautet die Antwort. CSU-Mann Weber will die promovierte Juristin zum Aushängeschild für ein modernes, gleichberechtigtes Parlament machen.Tatsächlich ist Metsola die bisher jüngste Politikerin an der Spitze der Straßburger Kammer – und erst die dritte Frau nach Simone Veil und Nicole Fontaine. Mit ihren beiden Vorgängerinnen hat sie allerdings wenig gemein.
Während Veil für Emanzipation stand, pflegt Metsola ein traditionelles Frauenbild als treu sorgende Mutter von vier Kindern an der Seite ihres Mannes Ukko Metsola, der als Lobbyist für die Kreuzfahrtindustrie arbeitet.
Metsola ist rigorose Abtreibungsgegnerin
Als praktizierende Katholikin und Mitglied des Partit Nazzjonalista vertritt sie die rigorose Antiabtreibungspolitik ihrer Heimat Malta. Sogar in Straßburg hat sie gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch gestimmt. Bei anderen wichtigen Fragen hat sie sich enthalten – selbst zu Menschenrechten in Russland hatte sie keine Meinung. Zum Image der engagierten Europäerin will das nicht recht passen.
Linke und Grüne haben ihr bei der Wahl am Dienstag denn auch die Stimme verweigert. Doch dank eines Bündnisses aus EVP, Liberalen und Sozialdemokraten konnte sich Metsola mit 458 von 616 abgegebenen Stimmen schon im ersten Wahlgang durchsetzen. Damit hatte niemand gerechnet.
„Sie wird uns auch weiter positiv überraschen“, meint ihr Mentor Weber. Nach dem Wahlerfolg müsse sich Metsola nun auch für die Frauenrechte engagieren, fordert die FDP-Politikerin Nicola Beer. Immerhin hat die neue EU-Chefin zugesagt, bei heiklen Themen wie der Abtreibung nicht ihre persönliche Meinung, sondern die Ansicht der Parlamentsmehrheit zu vertreten. Dies sei Teil des Wahldeals, heißt es in Straßburg.
Der andere Teil ist ein Zehnpunkteprogramm, das Metsola nun im Namen der drei großen proeuropäischen Fraktionen vertreten soll. Viel „Beinfreiheit“, das wird bei der Lektüre der Leitlinien klar, wird Metsola nicht haben.
Als Problem könnte sich auch die brenzlige Lage in ihrer Heimat Malta erweisen. Die Ermordung der Journalistin Daphne Galizia hat einen Abgrund von Gewalt und Korruption offenbart. Sie werde eng mit der maltesischen Regierung zusammenarbeiten, um den Rechtsstaat zu sichern, sagte Metsola nach ihrer Wahl.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz