: Neue Musik? Alte Hüte
■ Erwin Koch-Raphael, Hochschullehrer und Komponist, über das „Musikfest Bremen“
Der Schirmherr des Musikfestes, der Bremer Bürgermeister, hat geschrieben, da würden „mit einer ganz eigenständigen Konzeption neue und anregende Impulse in unsere Musiklandschaft“ gebracht. Was für Anregungen habt ihr gekriegt?
Erwin Koch-Raphael: Das Konzert-Programm war gut, aber völlig neuartig nur für jemanden, der nur das Schleswig -Holstein und ähnliche Festivals kennt. Es ist gar nicht möglich, zu solchen geballten Programmen hinzugehen, zumal das normale Programm genug Attraktionen hat. Ich habe das Konzert des Ensemble Modern gehört, das war sehr gut. Das würde ich aber auch sonst gern in Bremen hören, nicht nur, wenn Musikfest ist. Grundsätzlich Neues gab es im Vergleich zu 'pro musica antiqua‘ nicht und das, was ich an neuer Musik erwarte, ist bei 'pro musica nova‘ auch besser kommentiert.
Die Bremer Musiker-Szene war auch aus Neid über das viele Geld, das da ausgegeben wurde, verschnupft. Hat sich das gelegt?
Koch-Raphael: „Neid“ finde ich den falschen Ausdruck. Es gibt genug Gründe, sich über den Organisator zu beklagen. Die Ausschreibungen waren viel zu spät, da war alles schon vermauschelt und Alternativen waren nicht gefragt. So sind eben die Entscheidungsstrukturen im Bremer Musikleben.
Auf dem Programm stand auch aktuelle Musik...
Koch-Raphael: .. die war ziemlich unterbelichtet. Die Bremer „Projektgruppe neue Musik“ hatte an einem Konzept gearbeitet, da waren viele Ideen. Übrig blieb die Kombination dieser drei Jahreszahlen. Das eine gute Konzert des Ensemble Modern war zu wenig, das andere, was an neuer Musik geboten wurde, war ziemlicher Ramsch. Alte Hüte. Der entscheidende Kritik-Punkt ist aber der: Das Geld ist auf eine Weise ausgegeben worden, bei der zu wenig übrig bleibt. Darüber sind wir enttäuscht. Man könnte zum Beispiel in der Philharmonischen Gesellschaft etwas ändern. Es gibt gravierende Mängel im Bremer Musikleben. Wenn „Neue Musik“ nicht nur punktuell eingekauft werden soll, dann müßte Bremen sich ein „Ensemble für neue Musik“ leisten. Daß es das nicht gibt, wird durch das Musikfest höchstens verschleiert.
Was war mit den Workshops, Meisterklassen?
Koch-Raphael: Da ist viel ausgefallen. Ich war bei dem des Ensemble Modern: Der Workshop ist kläglich gescheitert, weil das Podium im Schlachthof zu kurz ist. Die Musiker paßten nicht drauf. Der Dirigent hat die Leute dann wenigstens zur Generalprobe eingeladen. Wie die anderen Workshops gelaufen sind, weiß ich nicht, ich weiß nur, daß sie so teuer waren, daß kaum ein Hochschüler sich das leisten kann. Die Workshop -Geschichte ist für mich ein Etiketten-Schwindel, um das Musikfest auf der pädagogischen Ebene anzubiedern.
Haben Deine Musikstudenten was davon gehabt?
Koch-Raphael: Ganz wenig. Erst waren Semesterferien, dann waren die Preise zu hoch. Bei Dacapo hat Mangelsdorff für 12 Mark gespielt und nicht für 25. Franke hat gesagt, der würde auch besser spielen, wenn er mehr Geld kriegt...
Und?
Koch-Raphael: Unsinn.
Int.: K.W.
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