Neue Missbrauchsbeauftragte: Kerstin Claus folgt auf Rörig

Kerstin Claus ist die neue Missbrauchsbeauftragte. Sie war viele Jahre Mitglied im Betroffenenrat und ist Expertin für das Opferentschädigungsgesetz.

Kerstin Claus

Tritt ihr neues Amt am Freitag an: Kerstin Claus Foto: Kay Nietfeld/dpa

Die neue Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung heißt Kerstin Claus. Sie ist in dem Themenfeld keine Unbekannte, im Gegenteil, als Mitglied im Betroffenenrat gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen, der beim Familienministerium angebunden ist, leistet sie seit vielen Jahren Aufklärungsarbeit und kämpft für Anerkennung der Opfer auf vielen Ebenen, vor allem für das Opferentschädigungsgesetz. Sie übernimmt das Amt, nachdem der bisherige Missbrauchsbeauftragte Johannes Wilhelm Rörig Ende Februar das Amt nach zehn Jahren und noch vor Ende der Amtsperiode 2024 abgegeben hatte.

Claus, 1969 in München geboren, ist Journalistin und systemische Beraterin, insbesondere für den Bereich sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Nach Rörig und der früheren SPD-Familienministerin Christine Bergmann, die die Stelle 2010 nach dem Bekanntwerden des massenhaften Missbrauchs in der katholischen Kirche mit ins Leben gerufen hatte, die erste Missbrauchsbeauftragte, die selbst diese Erfahrungen machen musste.

Welche Schwerpunkte Claus im Amt, das sie am Freitag antritt, genau setzen möchte, ließ sie bei ihrer Vorstellung am Mittwoch offen. Sie setze beim Opferschutz und der Prävention künftig stark auf eine Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen, hob sie hervor: „Kinder werden vor Ort geschützt. Wir brauchen starke Netzwerke.“

14.500 angezeigte Fälle allein 2020

Ein dringlicher Appell an die Politik. Ihr Vorgänger Rörig fühlte sich in weiten Teilen von der damals regierenden Großen Koalition allein gelassen. Oft mahnte er, die Politik nehme das Thema nicht ernst genug. Er beklagte, zunehmend lauter und ungeduldiger, dass für den Kinderschutz mehr Geld bereit gestellt werden müsse. Dass es mehr Beratungsstellen für Männer brauche, die als Kinder Opfer geworden waren. Dass Prävention in der Schule ein fester Bestandteil sein müsse. Dass verstärkt auf die Sportvereine geschaut werden müsse. Dass es mehr Täterarbeit brauche.

14.500 Fälle sexueller Gewalt an Kindern wurden der Polizei im Jahr 2020 gemeldet. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass die Zahl insgesamt um ein Vielfaches höher ist: Etwa eine Million Kinder und Jugendliche in Deutschland haben bereits sexuelle Gewalt durch Erwachsene erfahren haben oder erleben sie noch. Das sind rund ein bis zwei Kinder in jeder Schulklasse. Die Dunkelziffer ist so hoch, weil viele Fälle erst gar nicht angezeigt werden.

„Sexueller Missbrauch wird uns dauerhaft begleiten“, sagt Claus am Mittwoch: „Sie ist eine reale Bedrohung.“ Claus weiß genau, wovon sie spricht, sowohl als Betroffene als auch als Expertin sowie politische Beraterin. Ihre Wahl ist dem Amt angemessen.

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