piwik no script img

„Neue Lehrer müssen her...“

■ Schulkinder und Eltern protestierten gegen Bildungs-Kürzungen / Senatorin Kahrs zufrieden

„Hier stehen eigentlich die Falschen“, meinte die Vertreterin des Zentralelternbeirates (ZEB) Heidrun Huthoff. 3.000 bis 4.000 Eltern und Schulkinder standen gestern vormittag auf dem Bremer Marktplatz, um gegen die im kommenden Schuljahr drohende Verringerung der Lehrerstunden zu protestieren. Nach der Melodie von „Meister Jakob“ skandierten SchülerInnen „Scherf und Nölle, Scherf und Nölle, schlaft ihr noch, hört ihr nicht die Kinder, hört ihr nicht die Kinder, wacht doch auf...“ Offenbar ohne Lehrer-Hilfe hatten Sek-I-Kinder die Parole gedichtet: „Alte Lehrer weg, hat kein' Zweck, neue Lehrer her, bringt viel mehr.“

Aus der ganzen Stadt waren Grundschul-Kinder mit Eltern auf dem Marktplatz zusammengekommen, die SchülerInnen vom Schulzentrum Kornstraße hatten am Montag in einer Hofpause ihre Beteiligung an der Protestaktion kurzfristig beschlossen und waren dazugestoßen. „Wir haben Angst um die Zukunft unserer Kinder“, formulierte Lizzie Most-Werbek, Elternsprecherin in Osterholz, wo die Protestwelle ihren Ausgangspunkt genommen hatte. Nach zwei Wochen „Schulstreik“ wollen die Osterholzer Eltern ihren Kindern nun aber nicht weiter die Schule vorenthalten und setzen darauf, daß andere die Vorreiter spielen.

Eigentlich, so meinte die ZEB-Sprecherin Huthoff, müßten die Bildungspolitiker gegen die Kürzungen protestieren und kämpfen. Aber „die Politik läßt die Menschen allein.“

Mit nackten Füßen war Lizzie Most-Webeck, die Frau von Bremens oberstem Naturschutzbehördenleiter, ins Rathaus gegangen und hatte die Bildungssenatorin zur Kundgebung geholt. „Der Senat wird euch hören“, versprach Bringfriede Kahrs, der Senat habe „begriffen, daß die Zukunft dieses Landes etwas zu tun hat mit Schule und Ausbildung.“ Nachmittags auf einer Pressekonferenz erläuterte sie zufrieden, was sie in der Senatssitzung erreicht habe: Gegen die Forderung, jede durch Pensionierung freiwerdende Stelle schlicht zu streichen, werde es doch einige Neueinstellungen geben, versicherte sie: 15,5 völlig neue Stellen ganz genau. Zudem sollen 21 Lehrer mit Zeitverträgen fest eingestellt werden, 58 von insgesamt ca. 180 außerhalb der Schulen arbeitenden Personen, die die Statistik als Lehrer zählt, würden in die Schulen „zurückgeführt“. Letzteres allerdings sind nur in Ausnahmefällen GrundschullehrerInnen, wo der Bedarf dringend ist.

Das „Solidaritätsprogramm“, durch das Lehrer ihre Arbeitszeit reduzieren können zugunsten neuer Stellen, hat der Senat abgelehnt.

Als eigentlichen Erfolg sieht Kahrs es an, daß sie die Verlängerung der Lehrer-Arbeitszeit, wie sie aus ihrer eigenen Partei und vor allem von der CDU gefordert worden war, verhindern konnte. Bis 1998 soll nun mit der GEW zusammen die Flexibilisierung der Lehrerarbeitszeit debattiert und erprobt werden. „Unpädagogisch“ sei der starre 45-Minuten-Takt. Im Endeffekt soll, so Kahrs, dann nicht mehr jede unterrichtete Lehrerstunde doppelt gerechnet werden. Wenn diese Politik keinen Erfolg hat, dann droht ab 1998 doch die Verlängerung der Lehrerarbeitszeit.

„Ich gehe davon aus, daß wir einen geordneten Schulanfang haben werden“, meinte Kahrs zusammenfassend vor der Presse. Da die generelle Kürzung der Grundmittel für die Schulen keineswegs zurückgenommen wurde, hätte sie für diesen Satz auf dem Marktplatz lauten Protest geerntet. K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen