: Neubaumieten nach Altbausanierung?
Landgericht verhandelt über Altbau oder Neubau nach Modernisierung / Rechtsprechung ist ebenso unterschiedlich wie die Einschätzung der Folgen eines möglichen Urteils auf Neubau ■ Von Uwe Rada
Können Eigentümer nach erfolgter Altbaumodernisierung Neubaumieten verlangen? Diese Frage beschäftigt zur Zeit das Landgericht Berlin. Verhandelt wird der Rechtsstreit zwischen der Hausverwaltung der Görlitzer Straße 55 und einer Mieterin, die einer Mieterhöhung von 445 Mark auf 840 Mark widersprochen hatte. Begründet wurde der Mietsprung damit, daß es sich bei der mit öffentlichen Mitteln modernisierten Altbauwohnung um einen Neubau im sozialen Wohnungsbau handle und entsprechend dem Wohnungsbaugesetz die Erhöhung der Zinsen für die Eigentümerdarlehen nicht nur für Modernisierungs-, sondern auch der weitaus teureren Instandsetzungsmaßnahmen auf die Miete umgelegt werden können.
Die Görlitzer Straße 55 wurde Anfang der achtziger Jahre als eines von über 100 Häusern der Vogel/Braun-Gruppe mit öffentlichen Mitteln modernisiert. Seinerzeit hatten der Senat und die Wohnungsbaukreditanstalt eigens ein Modernisierungsprogramm für die Vogel/Braun-Häuser zurechtgeschneidert, es dabei aber im Gegensatz zu anderen Programmen unterlassen, den Status als Altbauwohnungen festzuschreiben. Nachdem nun, zehn Jahre nach der Modernisierung, die Zinsen für das Darlehen erhöht wurden, versuchen die Vogel/Braun-Nachfolger die erhöhten Kapitalkosten – wie im sozialen Wohnungsbau üblich – in vollem Umfang auf die MieterInnen abzuwälzen. Während das Amtsgericht Kreuzberg/Tempelhof im Falle der Görlitzer Straße auf Altbau und damit die Nichtigkeit der Eigentümerforderungen entschieden hat, tut sich das Landgericht als zweite Instanz schwerer. Auch nach der zweiten Berufungsverhandlung am vergangenen Montag wurde noch keine Entscheidung getroffen: Der Spruch des Landgerichts ist nun für den 6.Dezember angekündigt.
Entscheidend für die Frage Altbau oder Neubau nach Modernisierung ist nach dem zweiten Wohnungsbaugesetz ein „wesentlicher Bauaufwand“, der in der Regel bei zwei Drittel vergleichbarer Neubaukosten liegen muß. Weiter wird festgelegt, daß es sich um eine Wohnung handeln muß, die „infolge der Änderung der Wohngewohnheiten nicht mehr für Wohnzwecke geeignet“ war. Insbesondere der leerstehende Ostberliner Altbaubestand mit Außentoilette könnte hier betroffen sein. Eine Entscheidung der Gerichte auf Neubau hätte dann zur Folge, daß die Eigentümer bei einer Neuvermietung nicht den Mietspiegelwert für modernisierte Altbauwohnungen, sondern für freifinanzierte Neubauwohnungen zugrunde legen könnten.
Ob es tatsächlich in größerem Umfang zu derartigen Problemen kommen könnte, wird indes unterschiedlich eingeschätzt. Während der Berliner Mieterverein betont, daß die Eigentümer die Beweislast hätten und sich die Gerichte im übrigen sehr eng an die Vorschriften des Wohnungsbaugesetzes hielten, fürchtet der Rechtanwalt der Mieterin in der Görlitzer Straße im Falle eines Entscheids des Landgerichts auf Naubau weitreichende Konsequenzen auch für andere Mieter. Die Senatsbauverwaltung betonte gegenüber der taz, daß es sich im Moment nur um Einzelfälle handle. „Man wird das aber im Auge behalten müssen“, meinte der Mitarbeiter der Bauverwaltung, Wolfgang Krumm.
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