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Nepals Regierung tritt zurück

■ Zehntausende weiterhin auf den Straßen / Gespannte Lage in Katmandu / König will Verfassung ändern

Katmandu (adn) - König Birmanda von Nepal hat am Freitag in Katmandu die Entlassung der Regierung von Ministerpräsident Marich Man Singh Shresta bekanntgegeben. In einer Rundfunkansprache begründete er diesen Schritt mit der Unfähigkeit der Regierung, Gesetz und Ordnung im Land aufrechtzuerhalten. Er beauftragte den früheren Regierungschef Lokendra Bahadur Chand mit der Bildung eines neuen Kabinetts.

Mehr als 40.000 Menschen hatten am Donnerstag wiederum für die Abschaffung des seit 30 Jahren bestehenden Parteienverbots demonstriert. Bei den seit sieben Wochen andauernden Protesten haben Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei bisher mehr als 30 Menschenleben gefordert.

Nach Bekanntwerden des Rücktritts der Regierung formierten sich am Freitagmorgen in der Hauptstadt Katmandu wieder große Demonstrationszüge, die sich in Richtung Innenstadt in Bewegung setzten. Augenzeugen berichten, daß die Polizei aufgefordert wurde, nicht zu schießen. Jedoch sei ungewiß, wie sie in der Nähe des Königspalastes reagieren werde. Ansonsten lege ein Streik der Angestellten des öffentlichen Nahverkehrs das Leben in der Hauptstadt weitgehend lahm.

Der Regierungsrücktritt ist nach einer „Säuberungsaktion“ im Kabinett am vergangenen Wochenende ein deutliches Zeichen, daß das Königshaus mit seiner in der Verfassung verankerten, fast uneingeschränkten Macht auf die wochenlangen Demonstrationen für mehr Demokratie nicht länger nur mit Gewalt reagieren kann. Die Opposition will das restriktive, parteienlose Panchayat-System, das in den Räten der Dörfer, Städte und auch im Ein-Kammer-Parlament keine vom Volk gewählten Abgeordneten verschiedener politischer Anschauungen zuläßt, durch ein Mehrparteiensystem ersetzen.

Das Panchayat wird von der Opposition, die die Monarchie im übrigen für die Bewahrung der Einheit Nepals verteidigt, auch als Hindernis für sozialökonomischen Fortschritt gesehen. Nepal ist nach Angaben der Weltbank eines der ärmsten Länder der Welt. Fast die Hälfte der 18 Millionen Einwohner lebt unter der Armutsgrenze. 90 Prozent der Nepalesen arbeiten in der Landwirtschaft und sind zum Teil permanent unterbeschäftigt. Zwar ist die Selbstversorgung mit Grundnahrungsmitteln fast erreicht, ansonsten aber ist Nepal fast ausschließlich auf Importe angewiesen.

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