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Neonazis und Skins: Brandanschläge, Prügeleien, Überfälle

■ Seit dem Einzug der REPs in das Abgeordnetenhaus häufen sich in der Stadt die offenen Auftritte der Rechtsextremisten Wir veröffentlichen an dieser Stelle eine vorläufige Chronologie rechtsradikaler Anschläge, Aufmärsche und Überfälle

6.1.1989: Drei antifaschistische Gedenkstätten werden geschändet. Zunächst unbekannte Täter deponieren Schweineköpfe in der Gedenkstätte Plötzensee, am Rosa -Luxemburg/Karl-Liebknecht-Denkmal am Landwehrkanal und an der Putlitzbrücke, wo im Faschismus Juden zusammengepfercht und in Konzentrationslager abtransportiert wurden. Innensenator Kewenig verharmlost die Nazi-Aktion, zu der sich eine „Bewegung 20.April“ bekennt, als Resultat einer „abstrusen politischen Denkweise“. Senatssprecher Fest hält „Verrückte und Geistesgestörte“ für die möglichen Täter. Innensenatssprecher Birkenbeul weist die Vermutung, bei den Tätern handele es sich um Neonazis, zurück. Es sei nicht auszuschließen, daß die Aktion das Werk von „spontan zusammengekommenen Einzeltätern“ sei. Anfang Februar wird der als Neonazi bekannte 40jährige Ekkehard W. als dringend Tatverdächtiger festgenommen. W. ist mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen gemeinsamer Aktionen mit neonazistischen Bombenlegern aus Tirol und dem Mordversuch an einen sowjetischen Soldaten in Berlin zu Beginn der siebziger Jahre.

16.1.1989: Fünf junge Männer im Alter von 16 bis 22 Jahren werden in Steglitz vorläufig festgenommen, weil sie über 100 Aufkleber mit Hakenkreuzen bei sich tragen. Sie werden erwischt, als sie eine Telefonzelle und eine Bushaltestelle mit Parolen wie „NS-Verbot aufheben“ oder „Kauft nicht bei Juden“ bekleben. Hinter den Aufklebern steckt die neonazistische NSDAP/AO.

29.1.1989: Die „Republikaner“ ziehen mit 7,5 Prozent der Stimmen ins Abgeordnetenhaus ein. Zuvor hatte die in Berlin verbotene NPD zur Wahl der Rechtsradikalen aufgerufen.

30.1.1989: Ein 19jähriger Berliner wird wegen Volksverhetzung und Beleidigung zu einem halben Jahr Jugendstrafe mit Bewährung verurteilt. Er hatte eine Afrikanerin bedroht und beschimpft. Der Täter ist bereits wegen der „Verwendung von NS-Symbolen“ vorbestraft.

4.2.1989: Zwei Rechtsradikale stecken den VW-Bus der Neuköllner Falken in Brand. Die beiden jungen Männer, 17 und 18 Jahre alt, werden vorläufig festgenommen.

12.2.1989: Zwei rechtsradikale Schüler werden in einer Rudower Kneipe festgenommen. Sie gröhlten Nazi-Lieder. Als die Polizei ihre Personalien feststellen will, schlagen sie um sich. Die Beamten finden einen ganzen Karton voller NS -Propagandamaterial bei dem 17- und 18jährigen. Sie werden vorläufig festgenommen.

20.2.1989: Der Vorsitzende der Jungen Union Spandau kündigt in einem offenen Brief an Walter Momper seinen Gang in den Untergrund an, falls in Berlin eine rot-grüne Koalition zustande komme.

1.3.1989: Rund 1.000 Rechte und Rechtsradikale demonstrieren in der Berliner City gemeinsam gegen das „rot-grüne Chaos“. Auf der Demo werden Sprüche wie „Rotfront verrecke“ und „AL -raus!“ skandiert.

8.3.1989: Die Polizei beschlagnahmt bei einem 38jährigen Berliner 1.300 Raubkopien von Computerspielen mit teilweise neonazistischem und pornographischem Inhalt. Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage wegen Volksverhetzung und Verbreitung von Kennzeichen verfassungswidriger Symbole.

In der Neuköllner Fritz-Karsen Schule soll ein Elternabend stattfinden, weil ein rechtsradikaler Schüler Fotos von linken Lehrern und Schülern gemacht hat. Die Bilder wollte er nach eigenen Angaben an die neonazistische „Wannsee -Front“ weiterleiten. Der Schulleiter sagt die Veranstaltung in letzter Minute ab. Sie wird eine Woche später nachgeholt. Während der Diskussion treten rechtsradikale Schüler mit rassistischen Äußerungen öffentlich auf. Vor der Veranstaltung wird eine 16jährige Schülerin von Skinheads bedroht und verfolgt.

9.3.1989: Auf die antifaschistische Ausstellung „Topographie des Terrors“ auf dem ehemaligen Gelände des „Prinz Albrecht Palais“ nahe dem Martin-Gropius-Bau wird ein Brandanschlag verübt. Der Schaden hält sich in Grenzen. Der Staatsschutz ermittelt seitdem und vermutet die Täter in rechtsextremen Kreisen. Ein Bekennerschreiben liegt nicht vor.

16.3.1989: Skinheads machen in Rudow nachts Jagd auf SchülerInnen der Neuköllner Albrecht-Dürer-Schule. Ein Schüler wird krankenhausreif geprügelt. Die Skins tragen zum Teil SS-Uniformen mit Totenkopfabzeichen und sind mit Leucht - und Gaspistolen bewaffnet. Zwei Skins werden festgenommen, gegen sie wird zur Zeit wegen „gefährlicher Körperverletzung“ ermittelt. Die betroffenen SchülerInnen erheben schwere Vorwürfe gegen Streifenpolizisten, die nicht in die Verfolgungsjagd eingegriffen haben und eine Schülerin am Straßenrand stehenließen, obwohl sie gejagt wurde. Der Vorfall wird zur Zeit vom Innensenat untersucht und geprüft.

Am Ernst-Reuter-Platz wird ein türkischer Jugendlicher von vier Skins zusammengeschlagen. Der 16jährige wird im Gesicht verletzt. Die Skins wollten ihm die Haare abschneiden und in den Springbrunnen werfen. Der Jugendliche erstattete Anzeige bei der Polizei.

18.3.1989: Fünf junge Männer und eine Frau werden in Reinickendorf festgenommen, weil sie das Postamt am Zeltinger Platz mit Parolen wie „Rotfront verrecke!“ und Hakenkreuzen beschmierten.

22.3.1989: Zwei Skinheads überfallen nachts am Stuttgarter Platz in Charlottenburg zwei Touristen und prügeln sie krankenhausreif.

27.3.1989: Sechs Neonazis werfen die Scheiben eines Charlottenburger Cafes ein. Der Besitzer ist Iraner. Die Täter sind mit Messern bewaffnet, tragen Fotos von Adolf Hitler bei sich und rufen „Sieg Heil“. Ein weiblicher Gast wird bei dem Überfall leicht verletzt. Die Täter können flüchten.

27.3.1989: Drei Skins überfallen am U-Bahnhof Kottbusser Tor einen schwarzen GI-Soldaten. Der Mann wird mit Schlägen ins Gesicht traktiert. Auch hier entkommen die Täter.

ccm

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