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Neonazis planen Marsch auf Bremen

■ Heß-Gedenkdemo angemeldet / Bremen als juristisches Exempel / Verfassungsschutz: „verbieten!“

Gestern hatte das Bremer Stadtamt einen Antrag der besonderen Art in der Post. Markus Privenau, Kopf der kleinen Bremer Neonazi-Gemeinde, will einen Gedenkmarsch zum siebten Todestag von Rudolf Heß genehmigt haben. Und das nicht etwa für die zwei handvoll Bremer Neonazis. Am 13. August sollen zwischen 1.000 und 2.000 AktivistInnen aus dem rechtsextremen Lager vom Marktplatz aus durch das Ostertor und wieder zurück zur Innenstadt marschieren. Motto: Rudolf Heß – Märtyrer des Friedens! Der Antrag müsse selbstverständlich geprüft werden, sagte eine Sprecherin des Innenressorts. Doch der Bremer Innensenator wolle nun alles daransetzen, die Demonstration zu verhindern. Dann allerdings könnte es zu einer heftigen juristischen Fehde kommen. Die hat Privenau schon angekündigt. Bremen ist nicht die einzige Stadt, in der gestern Demonstrationsanträge gestellt wurden, aber für Bremen hat sich die rechte Szene eine Besonderheit ausgedacht. Wenn es wie erwartet dazu kommen sollte, daß alle Demonstrationen verboten werden, „dann wollen wir gerade in Bremen bis in die letzte Instanz gehen“, sagte Privenau gestern zur taz.

Hannover, Hamburg, das fränkische Wunsiedel, wo Heß begraben liegt – für eine ganze Reihe von Städten haben Neonazis Anträge auf Gedenkmärsche gestellt. Eine koordinierte Aktion: Ende Mai hatte sich das „Wunsiedel-Komitee“ aus Hamburg zu Wort gemeldet. Hinter dem Komitee steht Christian Worch, der sich nach dem Tod von Michael Kühnen zu einer zentralen Figur in der rechtsextremen Szene entwickelt hat. In einem Rundschreiben forderte er seine „Kameradinnen und Kameraden“ zu einer „Nationalen Aktionswoche“ auf. Zum Auftakt hatte er sich eine „zentrale Demonstration“ ausgedacht. Damit will er an den Propagandaerfolg des vergangenen Jahres anknüpfen, als unter den Augen der Sicherheitsbehörden hunderte Neonazis am Todestag von Rudolf Heß durch Fulda gezogen waren.

Worchs Aufruf blieb nicht ohne Reaktionen, dafür sorgt der hohe Vernetzungsgrad, den die AktivistInnen mittlerweile erreicht haben. Nach den Verboten einiger Parteien vor eineinhalb Jahren haben sich zwar kaum neue Organisationen gebildet, trotzdem ist die Szene enger zusammengerückt. Was früher bei Treffen in Hinterzimmern geregelt wurde, wird nun über Computer-Mailboxen, Rundfaxe und Mobiltelefone abgewickelt.

„Bremen wird unser Schwerpunkt. Kann sein, das wird die zentrale bundesweite Demonstration“, sagt Privenau. Die angekündigte „Aktionswoche“ finde nur dann statt, wenn die Demo tatsächlich verhindert wird. Das solle sich die Polizei und die Justiz doch lieber zweimal überlegen, findet Privenau: „Dann haben die eine ganze Woche mit uns zu tun.“ Daß ausgerechnet in Bremen der juristische Kampf ausgefochten werden soll, das hat auch einen Grund. Bei Privenaus letztem Auftritt vor Gericht hatte ihm der Richter empfohlen, er möge doch lieber demonstrieren, statt Straßenschilder nächtens mit „Rudolf-Heß-Platz“ zu überkleben. Auf diese Aussage will sich Privenau nun berufen.

Das sehen die Bremer Genehmigungsbehörden ganz gelassen: „Völliger Quatsch“, kommentiert Stadtamts-Chef Hans-Jörg Wilkens Privenaus juristisches Konstrukt. Sein Amt ist für die Genehmigung von Demonstrationen zuständig. Dort wird nun gemeinsam mit dem Verfassungsschutz geprüft, ob die „öffentliche Sicherheit und Ordnung“ durch den Aufmarsch gefährdet wird. Verfassungsschutzchef Walter Wilhelm hat nur eine Empfehlung parat: „verbieten!“

Daß es zu Krawallen kommt, wenn die Demonstration ausgerechnet durch das Ostertor geführt werden sollte, damit rechnet Privenau selbst auch: „Darauf haben wir uns vorbereitet.“ Das sei kein Grund, von der Route abzuweichen, denn: „1987 haben wir da auch demonstriert“, und gute Erfahrungen gemacht. Als damals die FAP unter der Führung von Privenau im Stechschritt marschierte, war die Bremer Polizei dabei – aber vor allem damit beschäftigt, GegendemonstrantInnen mit dem Gummiknüppel in Schach zu halten. Jochen Grabler

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