: Neonazi-Postfach in Dänemark bald dicht?
■ Justizminister prüft Verbot des Versands der Publikation „Der Einblick“
Kopenhagen (taz) – Der dänische Justizminister Erling Olsen will nun prüfen, ob die Bestellung und der Versand deutschsprachigen neonazistischen Propagandamaterials über eine Postfachadresse im dänischen Randers gestoppt werden kann. Über diese Postfachadresse kann beispielsweise für zehn Mark die Zeitschrift Der Einblick bestellt werden, die auf 40 Seiten 250 Namen, Adressen und Beschreibungen von Personen enthält, denen deutsche Neonazis „den Krieg erklärt“ haben.
Der Versand dieser „Todeslisten“ hat mehrere Abgeordnete des dänischen Parlaments dazu veranlaßt, das Justizministerium zum Handeln aufzufordern. Das Problem: In Dänemark gibt es kein Verbot neonazistischer Propaganda oder Organisationen. Ein solches wird bisher auch nicht diskutiert. Diese Tatsache war in der Vergangenheit mehrfach von der deutschen Ultrarechten dazu benutzt worden, Schriften und Propaganda über Dänemark zu verbreiten.
Laut Erling Olsen ist ein Einschreiten gegen die über das Postfach in Randers laufenden Aktivitäten nur beschränkt möglich: „Nach dem Gesetz über das Post- und Briefgeheimnis kann die Polizei nur aktiv werden, wenn beispielsweise eine strafbare Handlung droht.“ Etwas, was nach Meinung der Abgeordneten, die Olsen zum Einschreiten aufgefordert haben, spätestens seit der Verbreitung der „Todeslisten“ der Fall ist. Selbst der rechtspolitische Sprecher der Konservativen, Helge Adam Möller, kann sich vor diesem Hintergrund das weitere Zögern der dänischen Strafverfolgungsbehörden nicht erklären.
Das Postfach in Randers, über das auch Der Einblick vertrieben wird, ist offiziell vom Pressedienst der dänischen Nazipartei DNSB angemietet worden. Diese Partei arbeitet schon lange mit deutschen Neonazigruppen zusammen und hat Terroraktivitäten gegen „Feinde“ schon seit längerem in ihrem Repertoire. Es wird vermutet, daß ihre AktivistInnen hinter einer gezielten Kampagne gegen Personen mit jüdischen Namen stehen. Vor allem im Gebiet von Kopenhagen haben in den letzten Monaten Tausende Schmähbriefe bekommen, die als Absender ein Hakenkreuz ziert. In den Briefen werden die Empfänger beleidigt und bedroht: „Wir wissen, wer du bist. Bald kommst du dran.“
Die Polizei geht davon aus, daß ultrarechte Gruppen sich die Namen aus den Telefonbüchern heraussuchen. Da diese Aktion nur ein Teil auffallend gestiegener rechtsextremer Aktivitäten ist, hatte Justizminister Olsen schon im September einen stärkeren Einsatz gegenüber rechtsaußen angekündigt. Dies war spätestens seit einem tödlichen Briefbombenanschlag auf das Mitglied einer im Ausländerbereich aktiven Gruppe, der „Internationalen Sozialisten“, im vergangenen Jahr mit Nachdruck gefordert worden.
Von einem verschärften Vorgehen war allerdings bislang nicht viel zu spüren. Die Kommunalwahlen im letzten Monat hatten die Neonazis vielmehr zu einer regelrechten Propagandaoffensive genutzt. Auch wenn sie damit keinen in Mandaten meßbaren Erfolg in den Gemeindeparlamenten hatten, konnten ihre Parteien, wie die „Nationalpartei Dänemark“ und „Die Nationalen“ übelsten Ausländerhaß ungehindert verbreiten. „Als Notwehr mit Gewalt“ solle eine weitere Aufnahme von Flüchtlingen gestoppt werden, hieß es beispielsweise.
Als radikalste Gruppe gilt „Dänemarks Nationalsozialistische Bewegung“ (DNSB), die offen und ungehindert rassistisches und nazistisches Gedankengut unter dem Parteisymbol des Hakenkreuzes verbreitet. Auf Aufklebern und Flugblättern, die praktisch in ganz Dänemark verbreitet worden sind, wird von dieser Gruppe unter der Überschrift „Guter Rat für ehrliche und stolze Rassisten“ zu Gewalt und Terror gegen AusländerInnen, aber auch gegen „Arbeitsscheue“ aufgerufen.
Jonni Hansen, „Führer“ der DNSB, macht keinen Hehl aus den „kameradschaftlichen Kontakten“ zu deutschen Neonazis. Kürzlich wurde ein angeblicher „Leibwächter“ von Jonni Hansen von der Polizei verhaftet. In seiner Wohnung waren eine Maschinenpistole und eine 9-mm-Pistole gefunden worden. Die „Nationalsozialistische Bewegung“ hat sich nicht nur dem Kampf gegen AusländerInnen verschrieben, sondern dem gegen „alle Lobbyisten und Kommunisten, die sie unterstützen“. Reinhard Wolff
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