: Nenn nie Chiquita nur 'ne Firma
Der Fruchtkonzern läßt das Militär in Honduras für sich arbeiten: Es soll arbeitslose Bauern von stillgelegten Bananenplantagen vertreiben ■ Von Boris Scharlowski
Nenne nie eine Chiquita einfach nur Banane.“ Den Menschen in Honduras braucht das niemand zu sagen. Denn die Chiquita Brands Company oder besser deren honduranische Tochter, die Tela Railroad Company, beherrschen derzeit die nationalen Schlagzeilen. Erst Anfang August haben 5.000 BananenarbeiterInnen auch die Tela Railroad wegen der Spätfolgen hochgiftiger Pestizide auf Schmerzensgeld verklagt.
Jetzt steht der Konzern vor einem neuen Skandal. Am 27. Juli entsandte Staatspräsident Carlos Roberto Reina auf Veranlassung des Unternehmens 500 Soldaten zur Finca Tacamiche in der Nähe von San Pedro Sula. Sie sollten die 460 BewohnerInnen, die seit mehreren Generationen dort leben, vertreiben. Chiquita hatte genau vor einem Jahr beschlossen, die Plantage zu schließen und die Siedlung zu räumen. Den konsternierten BewohnerInnen blieb nur das Mittel der Besetzung.
Ohne vorheriges Gesprächsangebot zerstörten die Soldaten zunächst die Getreidefelder. Dann wurde mit Tränengas gegen die Landarbeiter vorgegangen. Der Augenzeuge Oscar Mejia, Führer des Dachverbands der Landarbeiter, kommentiert die Räumung: „Wir waren unbewaffnet, und sie schritten mit Waffen gegen uns ein.“ Nur durch Zufall waren keine Verletzten zu beklagen. Renée Martinez Reiyes, Präsident der honduranischen Bananengewerkschaft Sitraterco, spricht von einem Desaster. Mit Tolerierung der Regierung seien grundlegende Rechte der Verfassung verletzt worden.
Bis zum 26. September soll nun in Gesprächen zwischen BesetzerInnen und Regierung der Fall geklärt werden. Solange müssen die BewohnerInnen die permanente Kontrolle durch das Militär tolerieren. Martinez Reyes hofft auf einen breiten Solidarisierungseffekt innerhalb der Bevölkerung.
Über 3.000 Hektar Land für einen Dollar gekauft
Chiquita ist bereits seit 1902 im Land. 1936 kaufte es über 3.000 Hektar Land, auf denen die besetzten Fincas liegen – das entspricht einer Fläche von sechs mal sechs Kilometern – für einen US-Dollar. Bis 1991 besaß Chiquita Brands das Vermarktungsmonopol der honduranischen Bananenexporte.
Der Konflikt zwischen den BananenarbeiterInnen und der Tela Railroad schwelt schon seit längerem. Im Juni 1994 waren rund 8.000 Bananeros in den Streik getreten. Trotz einer 30prozentigen Inflationsrate in Honduras, das derzeit 7,4 Prozent des deutschen Bananenkonsums liefert, war der Konzern lediglich zu Lohnerhöhungen von neun Prozent bereit.
Im Anschluß an den Streik beschloß die Geschäftsführung die Schließung von vier der 26 Fincas. Sie waren angeblich unrentabel geworden. Nur festangestellte ArbeiterInnen erhielten ein Ablösegeld oder ein alternatives Arbeitsangebot. Rund 2.800 Frauen waren von den Einsparungen betroffen. Als die Ex-Beschäftigten die Plantagen besetzten, drängte Chiquita auf Räumung, um spätere rechtliche Komplikationen zu vermeiden: Nach einiger Zeit könnte sich ein Gewohnheitsbesitzrecht ergeben. Ende April kündigte die Tela Railroad mit Verweis auf die Besetzungen den Stopp weiterer Investitionen an. Der Druck auf die Regierung wurde auf diese Weise nochmals erhöht. Die EinwohnerInnen von Tacamiche ließen sich jedoch nicht einschüchtern.
Der Konzern liebt es, sich als privilegiertes Opfer auszuweisen. Doch jammert Chiquita auf hohem Niveau. Soeben meldete der Konzern einen 55prozentigen Profitzuwachs gegenüber dem gleichen Zeitraum im Vorjahr. Bei einem Umsatz von 2.114 Mrd. Dollar konnte ein Nettohalbjahresgewinn von 67 Mio. Dollar verzeichnet werden.
Der Autor arbeitet bei BanaFair in Gelnhausen, einem entwicklungspolitischen Verein, der unter anderem fair gehandelte Bananen importiert und vertreibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen