■ Scheibengericht: Neil Diamond
„Tennessee Moon“ (Columbia / Sony Music)
Las Vegas ist die Stadt der Shows. Die bitterste Konkurrenz für „Siegfried & Roy“ und ihre weißen Tiger – billigstes Ticket 80 Dollar – ist eine Lookalike-Show, die allabendlich mit einem Neil- Diamond-Lookalike und „Forever in Blue Jeans“ eröffnet. (Tobende Massen, tobte mit.) Symbole sind doch recht statisch.
Auch zwanzig Jahre nach seinem großen Hit hat Neil Diamond noch die blauen Hosen an. Das Toupet sitzt geringfügig schief, und die Lederjacke schaut aus, wie Lederjacken zu Anfang der 80er Jahre halt so aussahen. Musikalisch beweist Neil Diamond dieselbe Kontinuität wie in der Wahl seines Outfits. Die amerikanische Variante von Herz, Schmerz und buschigen Augenbrauen kennt zwar auch junge Talente, Joshua Kadison etwa, aber was ist der schon gegen Diamond – ein nach Punkten gegen eine Libelle unterliegender Borkenkäfer. Gary Nicholson, Buffy Lawson, Tom Shapiro tragen klingende Songwriter- Namen, ihr formalisierter, aber auch eleganter Stil ist hierzulande allerdings so präsent wie Quark in Norwegen – gar nicht.
Der Regionalismus des Diamond-Genres liegt in einer wiederkehrenden, episch gesungenen Sehnsucht, Hollywood den Rücken zu kehren, zurück nach Tennessee zu gehen und die „Kentucky Woman“ zu umarmen. Stadt versus Land, Dekadenz versus Ursprünglichkeit – die Mantras sind denen Sniders eigentlich ähnlich: Imaginiere den Naturquell in dir. Waylon Jennings, Chet Atkins, aber auch eine Person namens Gretchen Peters sind mit von der Partie. In seinen besten Momenten versucht sich Neil Diamond als Johnny-Cash-Double und singt Knast-Songs. Ich weiß nicht, ob die Show in Las Vegas diesen Gedanken jemals adaptieren wird.
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