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Archiv-Artikel

Nato darf jetzt mitmachen

KRIEG Die USA wollen die Intensität der Luftangriffe verringern. Gaddafis Truppen greifen von Rebellen gehaltene Städte an

Dem Kommandanten der beteiligten US-Truppen, General Carter Ham, zufolge ist keine Luftunterstützung für die Aufständischen geplant. Gaddafi könne es gelingen, über die Operation hinaus an der Macht zu bleiben

MOSKAU/WASHINGTON/TRIPOLIS/ADSCHDABIJA dapd/rtr/afp | US-Verteidigungsminister Robert Gates hat in Aussicht gestellt, dass die Zahl der Luftangriffe der internationalen Koalition auf Libyen in den kommenden Tagen zurückgehen könnten. „Wir werden die Intensität in Kürze verringern“, sagte er am Dienstag bei einem Treffen mit seinem russischen Kollegen Anatoli Serdjukow in Moskau. Zugleich werde versucht, die Zahl der zivilen Opfer so gering wie möglich zu halten. Vor Journalisten ergänzte Gates wenig später, dass bei einer „erfolgreichen“ Ausschaltung der Luftabwehr des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi ohnehin weniger Luftangriffe des Westens nötig seien.

US-Angaben zufolge feuerten britische und amerikanische U-Boote seit Montag 24 Marschflugkörper vom Typ Tomahawk auf libysche Ziele ab. Diese Zahl wurde am Dienstag kurz vor einer Pressekonferenz des Pentagon bekannt. Damit wurden seit beginn der Militäroperation am Samstagabend 160 Tomahawks gestartet, die vor allem Kommandozentralen und Kommunikationsverbindungen der libyschen Streitkräfte treffen sollten. Inzwischen sei rund die Hälfte der libyschen Luftabwehr zerstört worden, hieß es aus Militärkreisen.

Die Nato hat nach einem tagelangen Streit ein erstes Eingreifen in den Libyen-Krieg beschlossen. Das Bündnis wird das Waffenembargo gegen Gaddafi und seine Truppen durchsetzen, gab Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Dienstag bekannt. Schiffe und Flugzeuge würden aktiviert, um Schiffe mit Waffen oder Söldnern im Mittelmeer zu stoppen. Darüber schloss der Nato-Rat in Brüssel auch die Pläne für eine Durchsetzung der Flugverbotszone über Libyen ab. Das Bündnis könne so die internationale Kriegskoalition gegen Gaddafi unterstützen, „wenn dies erforderlich ist“, sagte Rasmussen.

Wie das US-Afrika-Kommando mitteilte, sind die beiden Piloten eines über Libyen abgestürzten US-Kampfjets vom Typ F-15 wohlauf. Nach einem technischen Defekt hätten sich beide mit dem Schleudersitz gerettet und seien von Teams der US-Marines in Sicherheit gebracht worden.

Der Kommandant der beteiligten US-Truppen, General Carter Ham, sagte, es sei keine Luftunterstützung für die Aufständischen geplant. Es könne sein, dass es Gaddafi gelinge, über das Bombardement hinaus an der Macht zu bleiben und dass es zu einem Patt zwischen seinen Truppen und den Rebellen komme. Die Koalitionsstreitkräfte hätten jedoch nur das Flugverbot durchzusetzen.

Ungeachtet der neuen Luftangriffe der Verbündeten erhöhte Gaddafi den Druck auf mehrere von den Rebellen gehaltene Städte. Sintan wurde nach Meldung des Fernsehsenders al-Dschasira mit schweren Waffen beschossen. Bewohner sind bereits aus den Stadtzentrum geflüchtet und haben in den Bergen Schutz gesucht.

Auch Misurata lag im Feuer von Panzern der Regierungstruppen. Beim Beschuss der Stadt wurden Einwohnern zufolge auch vier Kinder getötet. Am Montag seien 40 Menschen zu Tode gekommen, 189 wurden verletzt. „Die Lage ist sehr schlecht. Seit dem Morgen beschießen Panzer die Stadt“, sagte ein Bewohner am Telefon. Ärzte berichteten, Verletzte würden in Krankenhausfluren operiert. Nach Angaben eines Augenzeugen sollen in Misurata wieder Panzer der regulären Armee durch die Straßen rollen. Der Mann, der aus Furcht vor möglichen Repressalien anonym bleiben wollte, warf der internationalen Koalition vor, beim versprochenen Schutz von Zivilisten versagt zu haben. Aus Adschdabija berichteten Korrespondenten, Rebellen seien von Regimetruppen beschossen worden.

In der Nacht hatten alliierte Flugzeuge die dritte Welle der Angriffe auf Libyen geflogen. Dem staatlichen libyschen Fernsehen zufolge nahmen Kampfflugzeuge mehrere Einrichtungen in Tripolis unter Beschuss. In der Hauptstadt war auch spät in der Nacht Feuer der Luftabwehr zu hören. Durchs Zentrum schallten zugleich Slogans zur Unterstützung Gaddafis. Sprecher der Koalitionsstreitkräfte hatten zuvor erklärt, nachdem der Vormarsch der regimetreuen Kräfte im Osten gestoppt worden sei, solle die Flugverbotszone jetzt auch auf die Hauptstadt ausgeweitet werden. Dem Fernsehsender al-Dschasira zufolge griffen die Verbündeten auch Radareinrichtungen zweier Luftabwehrstützpunkte im Osten des Landes an.