: Nato-Säbelrasseln braucht Serben nicht zu schrecken
■ UNO-Chef Ghali bestätigte, daß Voraussetzungen zum Bombardement gegeben sind
Die zwei Tage alten Beschlüsse und Erklärungen des Brüsseler Nato-Gipfels über die Möglichkeit von Luftangriffen haben die Lage in Sarajevo bislang überhaupt nicht beeinflußt. Der heftige Beschuß der Stadt durch ihre serbischen Belagerer hat auch in den letzten 48 Stunden wieder zahlreiche Tote und Verwundete gefordert. Die Unprofor hofft, das am Dienstag von einer Artilleriegranate verursachte Loch in der Landebahn des Flughafens bis heute mittag repariert zu haben. Dann sollen die Hilfsflüge wieder aufgenommen werden.
Seit Beginn der Kriege in Ex-Jugoslawien Ende Juni 1991 haben die Serben immer wieder gezeigt, wie genau sie Erklärungen westlicher Regierungen – inklusive aller Zwischentöne und Differenzen – wahrnehmen und ernsthafte Drohungen von leerem Säbelrasseln zu unterscheiden wissen. Zumindest bezüglich Sarajevo können sie auch nach dem Brüsseler Nato- Gipfel ganz beruhigt sein. Zwar bekräftigten die 16 Regierungschefs den Beschluß der Nato vom August 1993 über die Möglichkeit von Luftangriffen zwecks Beendigung der „Strangulierung“ der bosnischen Hauptstadt. Doch wurde in Brüssel sehr deutlich, daß der gemeinsame politische Wille aller 16 Nato-Regierungen zu Luftangriffen auf serbische Stellungen um Sarajevo noch geringer ist als zur Bombardierung von Stellungen bei Tuzla oder Srebenica. Nicht umsonst betonte US-Präsident Bill Clinton in seiner Pressekonferenz zum Abschluß des Gipfels gleich dreimal, daß er sich bei den internen Beratungen der Regierungschefs einer Auswechslung des Kommuniqué-Satzes über die „Strangulierung“ Sarajevos gegen die erst am Dienstag nachträglich angefügte Passage über die „Öffnung“ des Flughafens Tuzla und die Befreiung der bei Srebenica von Serben eingeschlossenen 180 kanadischen Unprofor-Soldaten widersetzt habe. Zwar bestritt der britische Premier John Major auf seiner Pressekonferenz vehement, daß er für die Auswechslung plädiert habe. Doch hinter den Gipfelkulissen wurde bekannt, daß neben Großbritannien auch Frankreich und Kanada den Sarajevo- Satz zugunsten der Tuzla/Srebenica-Passage hatten streichen wollen. Und diese drei Staaten stellen die wichtigsten Unprofor-Kommandeure – Frankreich mit General Cot den Oberkommandierenden der Unprofor in ganz Ex-Jugoslawien. Wenn überhaupt, wird es nur zu Luftangriffen kommen, die – sowie deren Ziel – General Cot seinem politischen Vorgesetzten, dem UNO-Sonderbeauftragten für Ex-Jugoslawien, Akashi, ausdrücklich empfiehlt. Und nur wenn Akashi sich diese Empfehlung zu eigen macht und sie an Butros Ghali weitergibt, wird dieser entscheiden. Auf diese „Kommandokette“ haben der UNO-Generalsekretär und seine beiden SprecherInnen in New York und Genf bei aller grundsätzlichen „Begrüßung“ der Brüsseler Nato-Erklärungen in den letzten 48 Stunden mehrfach in aller Deutlichkeit hingewiesen. Ghali, der sich seit Dienstag abend in Genf aufhält, stellte inzwischen klar, daß nach seiner Auffassung die bislang öffentlich diskutierten Luftangriffe bereits von Resolutionen des Sicherheitsrates abgedeckt sind und lediglich seiner Aufforderung an die Nato zum Handeln bedarf. In Genf wird der UNO-Generalsekretär am Wochenende möglicherweise auch mit Präsident Clinton zusammentreffen und dabei das Thema Bosnien erörtern. Nach wie vor überhaupt nicht geklärt ist, ob die in Bosnien stationierten Unprofor-Truppen vor Luftangriffen ganz oder zumindest aus der Umgebung der Zielgebiete zurückgezogen werden sollen. Zu diesem Thema enthielten sich die Nato- Regierungschefs am Dienstag sämtlich einer Stellungnahme. Ghali wartet auch hierzu auf Empfehlungen der Unprofor-Kommandeure. Andreas Zumach, Genf
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