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Nationalradio: 512 DM/Minute

■ Beim nationalen Rundfunk wird weiter um Standort und Programmzahl gepokert

Die Rundfunklandschaft wird — wie jeder Acker — kräftig umgepflügt. Ein Produkt dieser medialen Flurbereinigung ist der nationale Hörfunk. So haben es die Ministerpräsidenten der Länder beschlossen: Deutschlandfunk, Rias1 und DSKultur bilden eine bundesweite Parzelle. Darin war man sich einig. Doch wieviele Programme dieser nationale Hörfunk ausstrahlen soll und vor allem von welchem Standort, darüber konnten die Chefunterhändler der Staats- und Senatskanzleien noch keine Einigung erzielen.

Während Berlin dafür ist, bundesweit drei Programme — weil drei Sender — auszustrahlen, wollen vor allem Sachsen und Baden- Württemberg nur einen bundesweiten Sender hören. „Wahrscheinlich“, so der Chef der Berliner Senatskanzlei, Volker Kähne, „wird man sich auf zwei Programme verständigen.“

Um Übereinstimmung ringt man auch in der Standortfrage. Während Berlin als „Hauptstadt und Weltmetropole“ den bundesweiten Hörfunk hier angesiedelt wissen möchte, droht Nordrhein-Westfalen das Projekt zum Platzen zu bringen, wenn sich das Funkhaus nicht in Köln niederläßt. Einigkeit scheint nach Auskunft Volker Kähnes dafür in der Struktur der neuen Anstalt zu herrschen: Als „Zwischenergebnis“ konnte man sich auf ein Körperschaftsmodell als gemeinsame Einrichtung von ARD und ZDF einigen — mit den Gremien Hörfunk- und Verwaltungsrat sowie Intendant.

Maximal 22 Personen, davon zwei Vertreter der Bundesregierung, sollen künftig die Geschicke des Senders im Hörfunkrat bestimmen. Da bleiben dann einige der ansonsten in solchen Gremien sitzenden „Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen“ außen vor.

Eine klare Vorstellung vom Programmauftrag allerdings gibt es noch nicht. Irgendwie was mit „Integration“. Ging man bislang davon aus, daß — sofern zwei Wellen zustande kommen — DSKultur zusammen mit Teilen des Rias ein Kulturprogramm ausstrahlen wird und der Deutschlandfunk mit dem anderen Teil von Rias1 für ein Informationsprogramm verantwortlich zeichnet, so hat man sich jetzt darauf verständigt, „zwei Vollprogramme“ anzubieten. Für DSKultur bedeutet das, daß „Programmelemente“ und nicht das Programm als Ganzes übernommen werden. Lothar Loewe, Beauftragter der ARD für den nationalen Hörfunk, kündigte jüngst vor dem Ausschuß für Medienfragen des Berliner Abgeordnetenhauses schon die erste Programmreform für DSKultur an: Ab 15.März wird DSKultur die Nachrichten von Rias übernehmen, „ein Zeichen der guten Zusammenarbeit“. An anderer Stelle scheint sie nicht so „gut“ zu klappen: Während sich Rias-Intendant Drück vehement für drei Hörfunkwellen stark macht, ist Loewe mit einer voll zufrieden.

Eins, zwei oder drei, 300 Millionen pro Jahr wird das volksverbindende Experiment in diesem Jahr kosten, oder, wie es der Berliner FDP- Abgeordnete Hampel ausrechnete, 512 Mark pro Minute.

Die Zeit drängt, und vor allem ein Schreckensszenario droht: Sollte man sich nicht bis zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 12.März auf eine Struktur geeinigt haben, dann droht der Kanzler höchst persönlich auf Sendung zu gehen [oh kohl, bewahre uns..., d. s-in]. Kohl nämlich hat gesagt, wenn die Ministerpräsidenten sich nicht einigten, mache der Bund den Deutschlandfunk weiter. mail

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