Nationalisten in Bosnien und Herzegowina: Kaum Spielraum in Sarajevo

Seit es in Bosnien vermehrt kriselt, schaut die Welt auf den Hohen Repräsentanten Christian Schmidt. Doch wie viel Macht hat er wirklich?

Christian Schmidt

Hoher Repräsentant in Sarajevo: Christian Schmidt Foto: Dado Ruvic/reuters

SARAJEVO taz | Das Büro des Hohen Repräsentanten in Sarajevo ist in einem schmucken vierstöckigen Gebäude nahe dem Miljacka-Fluss untergebracht. Seit der deutsche CSU-Politiker Christian Schmidt die Behörde leitet, geben sich Politiker, Journalisten und Mitglieder von internationalen Delegationen hier wieder die Klinke in die Hand.

Bosnien und Herzegowina ist für die internationale Gemeinschaft wieder interessant geworden. Seit der serbischen Nationalistenführer Milorad Dodik am Freitag letzter Woche im Parlament des serbischen Teilstaates (Entität) ein Gesetzespaket über die Loslösung der „Republika Srpska“ von Bosnien und Herzegowina durchpaukte, steht die Existenz des Staates auf dem Spiel.

Hinzu kommt noch, dass der kroatische Nationalistenführer Dragan Čović ein Wahlgesetz durch das Parlament des Gesamtstaates schleusen will, das darauf zielt, den zweiten Teilstaat, die bosniakisch-kroatische Föderation, in Trümmer zu schlagen. Die Kroaten wollen eine eigene, dritte Entität im Staat etablieren und damit eine weitere ethnonationalistische Spaltung des Landes durchsetzen.

Auf dies alles müsste der 64-jährige Hohe Repräsentant Christian Schmidt reagieren. Denn dieses mit dem Friedensvertrag von Dayton, der den bosnischen Krieg 1992–1995 beendete, etablierte Amt ist dazu da, die Umsetzung des Dayton-Vertrags zu überwachen. Formell hat er die Macht, Politiker, die gegen den Geist von Dayton verstoßen, kurzerhand abzusetzen. Aber ist das wirklich eine Option?

Weniger Macht als die Vorgänger

Immerhin wirkt der ehemalige Landwirtschaftsminister und Militärexperte beim Besuch der taz in seinem Büro nach einem langen Arbeitstag noch nicht allzu müde. Er lächelt, als er scherzhaft fragt, wohin er mit Übernahme dieses Postens eigentlich geraten ist. Aber er kann das Problem nicht überspielen. Denn er verfügt nicht mehr über die Macht seiner Vorgänger.

Der Brite Paddy Ashdown, Hoher Repräsentant von 2001 bis 2006, hätte nicht gezögert, internationale Polizisten nach Banja Luka oder Mostar zu schicken, um Nationalisten wie ­Dodik festzunehmen. Schmidt verfügt nicht mehr über internationale Polizisten und hat auch nicht mehr die Rückendeckung von Tausenden von Nato- bzw. Eufor-Soldaten, wie Ashdown damals. Er kann nur appellieren, auf Legalität bestehen, auf Gesetze verweisen und die Einhaltung der Verfassung fordern.

Hinzu kommt, dass die EU-Mission im Land eine eigene Agenda verfolgt und den Hohen Repräsentanten links liegen lässt. Ashdown und sein Nachfolger Christian Schwarz-Schilling hatten noch beide Hüte auf, waren „High Rep“ und gleichzeitig Chef der EU-Mission. Die beiden Institutionen sind seitdem getrennt. Weil das Bosnienproblem seit mehr als zehn Jahren in den EU-Hauptstädten kaum mehr beachtet wurde – so lange alles ruhig blieb, brauchte man sich ja nicht um Bosnien zu kümmern –, führte die EU-Mission ein Eigenleben.

Der jetzige Chef, der Österreicher Johann Sattler, tut sich seit Jahren damit hervor, intransparente Geschäfte zwischen den Nationalisten auszuhandeln, etwa das umstrittene Wahlgesetz in Mostar. Weil die EU-Mission Dodik und Čović immer weiter entgegenkam, konnten die ihre Politik radikalisieren. Mehr noch: die EU-Abgesandte Angelina Eichhorst vom Europäischen Auswärtigen Dienst setzte mit dem noch von Donald Trump bestellten US-Diplomaten Matthew Palmer die politischen Parteien in Sarajevo unter Druck, den Forderungen der Nationalisten nachzugeben.

Doch noch positive Signale aus der EU

Schmidt schweigt zur EU-Mission. Man merkt nur an seiner Körperhaltung, dass ihm das Thema unangenehm ist. Immerhin hat sich die EU-Außenministerkonferenz gegen eine Aufteilung Bosniens ausgesprochen und die Umsetzung des 14-Punkte-Plans der EU gefordert, mit dem das Land in die EU integriert werden soll. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat auf dieser Sitzung vehement Sanktionen gegen Dodik gefordert. Und ein Antrag Kroatiens, das Čović-Wahlgesetz in Bosnien zu unterstützten, wurde nicht in die Resolution aufgenommen. Schmidt kann damit zufrieden sein.

Dass sich in der EU zudem Widerstand gegen den Kurs der EU-Mission in Sarajevo regt, müsste dem Hohen Repräsentanten gefallen. Aber er bleibt vorsichtig. Entgangen ist ihm nicht, dass eine Delegation des Grünen-Europaabgeordneten Thomas Waitz am letzten Wochenende die bisherige EU-Politik kritisierte und Maßnahmen gegen Dodik und Čović forderte. Die europäischen Volksparteien, zu denen auch die CDU/CSU gehört, sollten damit aufhören, den Forderungen der Kroaten entgegenzukommen, forderte Waitz.

Zudem wurde im britischen Parlament offen über den Einsatz von Nato-Truppen in Bosnien diskutiert. Schmidts Augen leuchten auf, als er vom Besuch des neu bestellten britischen Sondergesandten für Bosnien und Herzegowina, Sir ­Stuart Peach, berichtet – ein hoher Militär, den er schon aus seiner Zeit im Kosovo kenne.

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