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■ ÖkolumneNation ade! Von Kurt Hübner

Aller Vorurteile gegenüber der ökonomischen Macht und politischen Unantastbarkeit zum Trotz: Auch transnational operierende Konzerne können bestandsbedrohliche Verluste einfahren. Diese Binsenweisheit erfährt gegenwärtig der viertgrößte französische Konzern Alcatel Alsthom. Mehr als sieben Milliarden D-Mark Verluste bei einem rückläufigen Konzernumsatz von etwas mehr als 50 Milliarden D-Mark verlangen nach rigiden Maßnahmen.

Entstanden ist das Rekorddefizit im Zuge einer ungestümen Expansionsstrategie, die allein in den letzten vier Jahren zum Zukauf von weltweit 60 Unternehmen oder Beteiligungen führte. Diese Zukäufe waren zu teuer, selbst mit Strukturproblemen behaftet und desintegrierend für den Gesamtkonzern. Von den blumig beschworenen Synergieeffekten war wenig zu verspüren. Die Strategie des extensiven Wachstums hat vielmehr intensive Verluste beschert.

Kostenmanagement ist jetzt gefragt. Personalabbau und Betriebsschließungen zählen in diesen Fällen zu den beliebtesten Instrumenten des Managements, können so schnell vorzeigbare Ausgabeneinsparungen vorgewiesen und rechnerische Besserstellungen der Bilanzen ausgewiesen werden. Die seit Mitte letzten Jahres laufende Entlassungsrunde, der schon 12.000 von weltweit noch 180.000 Arbeitsplätzen zum Opfer gefallen sind, wird weitergehen.

Die Durchführung der Operation Entlassung dürfte verhältnismäßig einfach durchzuführen sein, kann das Management doch zwischen Belegschaften an vielen Standorten wählen. Vorteilhaft dürfte sich vor allem die spezifische Absatz- und Produktionsstruktur des Konzerns erweisen: Absatzseitig kann Alcatel nämlich durchaus als französischer Konzern bezeichnet werden. Immerhin mehr als vier Fünftel des gesamten Konzernumsatzes werden im französischen Verwertungsraum erwirtschaftet. Produktions- und damit beschäftigungsseitig ist Alcatel allerdings ein transnationaler Konzern, der mehr als 60 Prozent seiner Gesamtbeschäftigung in Filialbetrieben außerhalb Frankreichs verzeichnet. Entlassungen und Betriebsstillegungen fallen angesichts solcher operativer Konzernstrukturen gleichsam automatisch stärker im „Ausland“ als im „Inland“ an. Der deutsche Standort, an dem Alcatel über seine Töchter noch 40.000 Menschen beschäftigt, wird dies zu spüren bekommen.

Deutlich wird am Alcatel-Fall, daß nationalstaatliche Zuordnungen in einer sich globalisierenden ökonomischen Welt an Gewicht verlieren. Über nationalstaatliche Souveränitätsräume hinweg organisierte und operierende Konzerne können von nationaler Politik immer weniger beeinflußt oder gar gesteuert werden. Umgekehrt gilt aber auch, daß die Konzerne ihre nationalstaatlichen Merkmalszuschreibungen verlieren und zu funktionalen Gebilden mit eigenen governance-Strukturen werden. Längst sind die Made in Germany-Auszeichnungen durch Symbole der corporate identity ersetzt. Wer Ikea-Innenaustattungen kauft, identifiziert sich mit dem Produkt des schwedischen Elch-Hauses und schert sich wenig darum, daß der weitaus überwiegende Teil dieser Produkte das Ergebnis eines weltweiten Produktions- und Zulieferungsnetzes ist. Wer Nike-Schuhe kauft, kauft sich die Philosophie und will nicht wissen, daß Nike ein transnationaler Konzern ohne eigenständige Produktionsstätte ist, der 100 Prozent seiner Produktpalette über ein ausgeklügeltes outsourcing-System herstellen läßt, das sich vor allem auf die Billiglohnökonomien China, Taiwan, Indonesien und Malaysia stützt.

Selbst über den Steuerstaat lassen sich nationalstaatliche Zuordnungen von Multis nur schwer vornehmen. Angesichts der intensiven globalen Steuerstandortkonkurrenz und den Deregulierungen des Kapitalverkehrs fallen nationaler Konzernsitz und Steuersitz zunehmend auseinander. Gezahlt wird im Zweifelsfall dort, wo es am biligsten ist. Dies zu beklagen ist moralisch achtenswert, aber müßig, verhalten sich die unternehmerischen Akteure letztlich doch innerhalb der rationalen Logik vorgegebener Spielregeln. Zu ändern sind die Spielregeln.

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