: Nasenbohrer im Abseits?
■ Dem Popling, für das Jahr 2000 in Berlin ursprünglich als olympische Disziplin vorgesehen, droht der Niedergang / Der deutsche Meister stellt sich bohrenden Fragen
taz: Herr Danner, deutscher Meister im Nasenbohren, das klingt recht ungewöhnlich. Seit wann betreiben Sie denn diese, äh, aufreibende Sportart?
Danner: Seit meinem dritten Lebensjahr. Aber, wenn ich das an dieser Stelle einflechten darf, so ungewöhnlich ist Popling gar nicht! Nach Schätzungen unseres Verbandes gibt es allein in der Bundesrepublik cirka 60 Millionen Menschen, die diesen schönen Sport ausüben. Nur – sie tun das im Stillen, ohne viel Aufhebens davon zu machen, und nur relativ wenige finden den Weg in die Öffentlichkeit.
Interessant! Nun, nicht jeder darf sich wohl wie Sie zu den Spitzensportlern zählen...
Dieses Argument höre ich sehr oft, aber nichtsdestoweniger ist es grundfalsch! Sehen sie, es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, und wenn jemand sein Leistungsniveau steigern möchte, dann gibt es dafür ja unser breitgefächertes Vereinswesen auf Kreis-, Landes- und Bundesebene. Das einzige, was man mitbringen sollte, ist Freude am Bohren und natürlich einen gewissen Trainingsfleiß. Ohne den geht's nun mal nicht!
Das leuchtet ein. Vielleicht können Sie unseren Lesern kurz Ihren Weg an die Spitze der deutschen Nasenbohrer schildern?
Ja, also praktisch hab' ich das schon von meinem Vater in die Wiege gelegt bekommen. Er war begeisterter Amateurpopler, er hat das allerdings mehr im kleinen Kreis betrieben.
Was waren denn die ersten Erfolge?
Mit vier Jahren war ich jüngster Preisträger im Bundeswettkampf „Jugend bohrt“. Mit 14 wurde ich dann deutscher Meister im Fliegengewicht, mit 17 Zweiter bei den internationalen polnischen Meisterschaften, den „Rotzlaw Open“, ja, und letzte Woche eben die Krönung, die deutsche Meisterschaft...
In der Viertelpfünder-Klasse.
Genau!
Toll, super! Und eine um so beachtlichere Leistung, wenn man bedenkt, daß Nasenbohren bei uns eine Sportart ist, die im öffentlichen Ansehen ein Mauerblümchendasein fristet...
Da bohren Sie, wenn ich das mal so sagen darf, ein drängendes Problem an. In anderen Ländern, ich denke da zum Beispiel an die skandinavischen Staaten, herrschen da weitaus bessere Rahmenbedingungen. Das reicht von speziellen Trainingszentren über gezielte Nachwuchsförderung bis hin zur gesellschaftlichen Akzeptanz dieses Hochleistungssports. In Malmö zum Beispiel ist es ganz normal, daß in den öffentlichen Verkehrsmitteln die Amateurbohrer ihren Arbeitsweg mit sinnvollen Übungen ausfüllen.
Nun ja, die klimatischen Verhältnisse in Skandinavien begünstigen wohl auch die Ausübung dieser Disziplin...
Sicher spielt das eine Rolle, aber ich glaube, es ist mehr die allgemeine Toleranz dort, die Leute haben nicht so diese verbohrte Haltung wie hierzulande!
Wenn ich mal etwas überspitzt formulieren darf – Sie sehen sich bei uns als Nasenbohrer ins gesellschaftliche Abseits gedrängt?
Absolut! Sehen sie, als ich neulich beim Ball der Deutschen Sporthilfe in einem Showkampf gegen den schwedischen Meister Ingemar Vergmanson antreten sollte, wurde mir kurz vor Beginn hinter vorgehaltener Hand bedeutet, dies sei nicht „der richtige Rahmen“, der Bundespräsident kein Freund dieser Disziplin. Und das, obwohl er erst drei Wochen vorher die Schirmherrschaft über die Deutsche Kunststopfmeisterschaft übernommen hatte!
Bedauerlich.
Ja wo, frage ich, ist dann der richtige Rahmen, wenn nicht dort! So kommen wir nie aus dem gesellschaftlichen Abseits heraus! So werden wir nie den Anschluß an die Weltspitze finden!
Tja, so ist es leider, in der Tat. Eine Frage zum Schluß – Stichwort Doping...
Beim Popling gibt es kein Dopling!
Eine klare Aussage. Da bleibt uns nichts, als Ihnen auch weiterhin viel Erfolg zu wünschen – bohren Sie weiter, oder keep on boring, wie der Engländer sagt. Herr Danner, wir bedanken uns für das Gespräch. Interview: Rüdiger Kind
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen