Wenn die Mutter das Haus Hütet und wir Auto fahren: Nagelschere und Läusekamm
Vogelfluglinie
von ReBecca Clare Sanger
Meine Mutter am anderen Ende der Leitung kann ich kaum hören. „Leider muss ich euch mitteilen, dass ihr Marder im Haus habt“, hat sie gesagt. Doch der Schotter der Straße ist aufgewirbelt unter unseren Reifen, wir rutschen zurück über die Steine, am trockenen Straßengraben vorbei. „Soll ich aussteigen“, frage ich meinen Mann, das Auto bäumt sich auf.
Mit siebzig Kilo weniger springt es über die Felsbrocken der Straße ohne Belag, das Gummi der Reifen brennt und im Staub der Straße folge ich den Ausführungen meiner Mutter: Wir werden einen Kammerjäger brauchen, die Viecher vermehren sich schneller als Ratten und abgesehen davon, dass sie die Dämmung des Hauses auffressen, stinkt die Bude in null Komma nix. Das ist nicht verwunderlich: Marder entstammen der gleichen Familie wie Skunks.
Am folgenden Tag bemerkt mein Mann die verpassten Anrufe seiner Schwester auf seinem Telefon. Ausgelöst wiederum durch meine Mutter beim Hüten unseres Hauses: Es sind fünf an der Zahl. Er ruft zurück, wir fahren gerade zur Apotheke, uns fehlt zu diesem Zeitpunkt nur eine Nagelschere, ein Läusekamm und Zahnseide, um die Kontrolle in unserem Leben wieder herzustellen. Und: ein Kammerjäger selbstverständlich. „Welcher Nachbar hat sie euch gebracht? Nicht die kleine Weiße, nein? Fehlte ihr ein Stück vom rechten Ohr?“
Der kleine, schmächtige Nachbar, der auch bei uns im Ort die Lokalzeitung verteilt, hat also unsere Führerziege zu Johns Schwester an die Haustür gebracht. Bei der Übergabe habe die Ziege sich ausgiebig an unsere Blumen gütlich getan.
Mein Mann beschreibt seiner Schwester, wo die Ersatzbatterie zum Elektrozaun steht, und welchen Schraubenschlüssel sie benutzen soll. Er verbringt den Rest der Fahrt damit zu überlegen, warum sie wohl ausgebüxt ist. Das hat sie noch nie getan.
Im Gegenteil, allen – leider dann doch – desinteressierten Käufern haben wir immer gesagt, dass diese Ziege keine „Hoppeged“ (Springziege) sei. Sehr ruhig. Bloß ein bisschen zu enthusiastisch, wenn es ums Essen geht. „Ob sie nicht genügend Futter auf der Weide findet?“
Wir fahren durch die trockene Landschaft, am Ginster, den strubbeligen Schafen vorbei und versuchen uns die regentriefenden 4.000 Quadratmeter Weide der Heimat vorzustellen, die unserer Leitziege offenbar nicht mehr genügen. Wir versuchen uns die nächsten 14 Tage vorzustellen, wo wir keinen zum Haus- und Ziegenhüten gefunden haben, sondern nur jemanden, der dann und wann Wasser vorbeibringt. Wem soll der Nachbar denn dann die Ziege in die Hand drücken?
An der Apotheke angelangt, fällt uns das Stück Plastik vom Unterteil des Autos auf, welches sich doch nach den Strapazen des Vortages nicht mehr am Auto hat halten können.
Plötzlich scheinen der Läusekamm, die Nagelschere und die Zahnseide doch nur Pipifax. Wir bestellen uns einen Cappuccino und sehen unseren Kindern zu, wie sie sich auf dem Spielplatz die Windeln ausziehen und Pischern üben.
Zum Glück ist außer uns bei dieser Hitze kein anderer draußen. Das wäre sonst peinlich. Wie sollen wir sie bloß dazu bringen, sich jemals wieder anzuziehen? Wir wissen es nicht. Mein Mann googelt auf seinem Telefon nach billigen Lösungen gegen Hausmarder.
Rebecca Clare Sanger pendelt mit Mann und Kindern zwischen Hamburg und der dänischen Insel Møn; was sie dabei erlebt, steht 14-täglich an dieser Stelle.
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