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Nagel ohne Kopf - Der Komödie dritter Teil

■ Auch die geplante Stornierung des Planungsauftrags zum Deutschen Historischen Museum ist fragwürdig / Aldo Rossis Entwürfe sind so gut wie fertig / Nach wie vor breite parteiübergreifende Verwunderung über den voreiligen Bausenator

„Es wäre nicht angemessen, den Architekten Aldo Rossi während der laufenden politischen Diskussion weiter an den Plänen für den Bau des Deutschen Historischen Museums arbeiten zu lassen“ - auch dies eine der Erklärungen des Bausenators Wolfgang Nagel im Rahmen seiner DHM -Verschiebeaktion.

Was sich zunächst nach akuter Kostenersparnis anhörte, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als einfacher Rechtfertigungsversuch für Nagels voreiligen Alleingang. So hat nämlich der Mailänder Gewinner des Architekturwettbewerbs keinerlei Verträge mit dem Senat, sondern allein mit der Bonner Bundesbaudirektion. Andererseits würde die von Nagel geforderte Stornierung der Beauftragung von Rossi seitens der Bundesregierung dessen Honorar von bisher „mehr als einer Million DM“ (Nagel) zu diesem Zeitpunkt wohl kaum mehr senken. Denn bekanntlich werden Architekten nicht stundenweise bezahlt, sondern beziehen einen Prozentanteil des Gesamtauftragsvolumens von bisher 380 Millionen DM. Diese wäre aber in jedem Fall schon jetzt fällig, zumal im Mailänder Büro des Architekten nach anderthalbjähriger Planungsarbeit das Projekt sehr weit fortgeschritten ist. Zur Zeit wird überdies nach Auskunft des Büros Tag und Nacht gearbeitet, weil am 15.Juni der überarbeitete Entwurf im Maßstab 1/200 vorgestellt und am 15.Juli die Baukostenberechnung vorgelegt werden soll.

Die Stornierung des Auftrags an Rossi käme also trotz der Hast Nagels zu spät. Überdies ist kaum zu erwarten, daß die Bundesregierung der Forderung Nagels so einfach nachkommen würde. Kanzleramtsminister Rudolf Seiters (CDU) bezeichnete es nämlich schon rein vorsorglich als nicht akzeptabel, wenn der Berliner Senat von der gemeinsamen Gründungsvereinbarung zwischen Bund und Land abrücke.

In Berlin wiederum waren in den letzten Tagen nicht nur die AL und die Senatorin für Sadtentwicklung, Schreyer, überrascht von des Bausenators Vorschlägen zum neuen Standort für das Deutsche Historische Museum. Auch der Regierende Bürgermeister Walter Momper, gerade zurück von seiner Parisreise, zeigte sich konsterniert. Daß Nagel, wie er behauptet hatte, den Standort Potsamer Platz mit ihm abgesprochen habe, daran kann er sich „nicht erinnern“. Kultursenatorin Anke Martiny, die Momper nach Paris begleitet hatte, wußte von Nagels Alleingang auch nichts. Vor ihrer Abreise, so sagte sie gestern, sei eine Arbeitsgruppe auf Staatssekretärsebene zwischen der Bau-, der Umwelt- und der Kulturverwaltung verabredet gewesen. Es sei ihr „unverständlich“, warum der Bausenator nun in ihrer Abwesenheit mit einem neuen Standortvorschlag an die Öffentlichkeit gegangen sei. Aber, so Momper, „wenn ein Senator eine Idee hat, äußert er sie eben, und Herr Nagel hat viele Ideen“.

Der kulturpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Lehmann -Brauns, beklagte gestern den Umgang des Senats mit dem Architekten des Museums, Rossi. Er bedauere, daß Rossi von den neuen Plänen aus der Presse erfahren habe. Wenn man weiterhin so mit Leuten umgehe, werde es schwer sein, Persönlichkeiten mit internationalem Renommee nach Berlin zu holen. Er habe den Eindruck, der Senat „störe und torpediere“ die Museumsplanung. Der AL unterstellt Lehmann -Brauns, sie hoffe, daß die Planung „durch Nichtstun stirbt“.

grr/bf

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