Sanssouci: Nachschlag
■ Nostalgische Schlagerparade im theater im palais
Foto: Joachim Fieguth
Die Wohnzimmeratmosphäre des theaters im palais ließ befürchten, daß die Aufführung wie eine Darbietung im Rahmen einer Familienfeier wirken wird. Zumal bei solchen Anlässen ja gerne alte Schlager zu Gehör gebracht werden. Die Nähe der auf Polsterstühlen plazierten Zuschauer zur Bühne ist beängstigend. Kann man sich entspannt unterhalten lassen, wenn einen jeder Atemzug der Darsteller streift? Man kann. Schon beim ersten Auftritt ist die notwendige Distanz da – die zwischen Künstler und Publikum.
„Jawoll meine Herrn – mit Musik geht alles besser“ heißt die neueste Produktion von Hausregisseurin Barbara Abend, eine „musikalische Wanderung durch die frühen Tonfilmjahre“. Der Titel charakterisiert die Vorstellung hinreichend. Gabriele Streichhahn, Jens-Uwe Bogadtke und Carl Martin Spengler singen Schlager aus der Zeit zwischen 1926 und 1944. Das geht quer durch alle Gemütslagen, von „Ich bin die fesche Lola“ über „Ein Freund, ein guter Freund...“ und „Ich brauche keine Millionen“ bis zu „Ich steh' im Regen“. Am Klavier begleitet Henry Krtschil. Marlene, Zarah, Heinz Albers oder Heinz Rühmann grüßen deutlich und werden doch nicht nachgeahmt.
Im Frack stehen die drei Darsteller wie die Orgelpfeifen auf der kleinen Bühne. Als Kulissen dienen Stellwände, die liebevoll mit alten Filmfotos bepflastert wurden. Der Abend lebt natürlich automatisch von den schmissigen und herrlich nostalgischen Melodien und Texten. Aber nicht nur. Auch die nach Maßgabe der Räumlichkeit meist nur angedeuteten szenischen Arrangements, die komische Ernsthaftigkeit, mit der die Solonummern von den jeweils anderen mimisch kommentiert werden, und vor allem die ausgezeichneten Interpretationen machen diese „Wanderung“ zu einem kurzweiligen Trip ins Land deutschsprachiger Evergreens.
Bogadtke, Spengler und Streichhahn liefern keine reine Revue, sondern reflektieren, sich selbst moderierend, auch die Funktion der Tonfilmschlager als – je nachdem – Ausdruck eines Lebensgefühls, Elemente der nationalsozialistischen Kulturfassade oder tatsächliche musikalische Inseln im wirtschaftskrisen- bzw. kriegsgeschüttelten Alltag. Auch vom Schicksal der Komponisten (u.a. Peter Kreuder, Theo Mackeben, Friedrich Hollaender, Mischa Spoliansky) nach 1933 wird berichtet. Wer auch nur eine winzige Ader fürs Nostalgische hat, sollte „Jawoll meine Herrn“ nicht versäumen. Petra Kohse
Nächste Vorstellungen am 14.–16.1., 20 Uhr, theater im palais, Palais am Festungsgraben, Mitte.
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