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SanssouciNachschlag

■ Baudelaire-Lesung

Daniel Morgenroth liest. Und egal, was er liest, dieser jugendliche Held des Deutschen Theaters – wir hören zu. Da mag der Veranstaltungsort, das Georg-Kolbe-Museum am äußersten Westrand von Berlin, noch so entlegen sein: Wir gehen hin, wie am Samstag, als er mit etwas trauriger Miene erschien. Auf dem Programm standen Gedichte von Baudelaire und René Char, die im Rahmen von „Schauplatz Museum“ unter dem etwas irritierenden Titel „Die Umkehr der Sinne – 100 Jahre Symbolismus“ vorgetragen werden sollten. Wenn solch eine Geburtstagsfeier nicht die Umkehr des Sinns in blanken Unsinn ist! Baudelaire (1821–1867) und René Char (1907–1988) gelten als die Vor- und Nachläufer eines literarischen Stils, den man nur deshalb als symbolistisch bezeichnet, weil niemand so recht weiß, was das eigentlich zu bedeuten hat.

Immerhin gab es aber dank des magischen Stichworts eine vage Verständigung über die vielfältigen Beziehungen von Worten, Klängen und Farben, und jeder durfte sich nun einen Reim darauf machen, was denn die aktuelle Ausstellung der Rodin- Photographien von Eugène Druet mit den Dichterworten zu tun hat, wie das die Veranstalter von „Schauplatz Museum“ doch beanspruchen. Da es Morgenroth aber eher mit dem Trübsinn hielt als mit den obszönen Versen der „Blumen des Bösen“, gab es wenig Gelegenheit, die nackten Rodin-Leiber auf den Photographien in den Texten wiederzufinden. Er las, von Christoph Schambach am Klavier begleitet, eine Auswahl jener von Carlo Schmid wunderschön übersetzten Gedichte, die ihm am Herzen lagen, ihm, dem Schauspieler mit dem melancholischen Blick: „Mußt Narr mit leerem Magen Sprünge machen Und grinsen, keinem zeigend daß du weinst. Damit die Niedern und Gemeinen lachen.“ Einmal begann er sogar leise und zart zu singen.

Auf René Char, der vor allem als Dichter der Résistance bekannt wurde, war das Publikum wenig vorbereitet. Aus seinen schwer zugänglichen Texten blieb einer im Gedächtnis: „Es drängt dich zu schreiben, als ob du mit dem Leben im Rückstand wärst.“ Matthias Schad

Eugène Druet: „Amor fugit“ von Rodin, Gelatine-Silberdruck, um 1900 Abb.: Museumspädagogischer Dienst

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