Sanssouci: Nachschlag
■ Revival zum Mitgrölen: die Punk-Disco im Huxley's jr.
„Ach nö, Punk-Disco, was soll das denn? Hugo Race spielt doch im Ex'n'Pop, das ist doch bestimmt ganz schön, und in der Schönhauser Allee gibt's 'ne klein-intim-interessante House- Disco...“ So die Abendvorschläge meiner Freunde, die nicht zu bewegen waren, ein kleines Punk-Revival abzufeiern. Also mußte ich mich allein auf die Spuren einer für mich allerdings auch sehr imaginären Vergangenheit machen, freute ich mich doch 1977 gerade über meinen ersten Plattenspieler von Quelle und einige Sweet- und Who-Platten. Erst später fühlte man sich auch mal als „Junge einer Opel-Gang“ oder stimmte mit älteren Mitschülern in ein wundersames „Gabba gabba hey“ ein.
Revivalort war das Huxley's, wo das stadtbekannte Punk-Oldie-Dreigestirn Radzuhn, Ehres und Chaos sich in den Kopf gesetzt hatte, Punk in Disco-Form zu gießen, heißt Platten aus den punkbewegten Jahren '76, '77 und folgenden aufzulegen. Punkmusik satt wie sie jeder schon immer kannte, mit den Sex Pistols als Evergreen, den Undertones zum nostalgischen Mitgrölen und den Buzzcocks für die zarte Träne im Knopfloch. Als Disco mit Tanz- und Pogo-Forum funktionierten die Eins-zwei-drei-lets- go-Punksongs weniger, schon gar nicht in so erinnerungsschwangerer Form und mit den vielen Lenzen auf dem Buckel. So wurde wenig gepogt und getobt, geschweige denn gespuckt oder gar mit Karlsberg-Büchsen geworfen. Schwer war es, auch nur einen „echten“ Punk unter den nicht unbedingt zahlreich erschienenen Gästen auszumachen, und die Specials und Madness waren (und sind!) immer noch der größte tanzgemeinsame Nenner für Mann und Frau, wie es „halt in die Epoche reingehört“.
Zeit zum Geschichtenerzählen, für „weißt du noch“ und „kennst du noch“, für „When The Kids Are United“ und das fröhliche Zwei-drei-Akkord-Ratespiel, gute Songs gab es genug. Deutsch-Punk stand übrigens kaum auf dem Programm, keine Melodie, zuviel Ernst (Boskops!) oder zuviel Fun, und „Part Time Punks“ war der persönlich sehr gelungene Rausschmeißer, der hoffen ließ, beim nächsten Mal von den letzten Punkern der Welt, den völlig hirnlosen, aber geilen Dwarves und ihrem „Fuck them All“ begrüßt zu werden. „Punk's not dead“, aber live und jetzt supergesuckt eben doch besser als das nostalgisch-rührselige Pogo A Gogo. Gerrit Bartels
Ab jetzt jeden ersten Samstag im Monat ab 22 Uhr im Huxley's jr., Hasenheide 108–114, Neukölln.
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