Sanssouci: Nachschlag
■ „Die wunderbare Welt der Simulanten“ – die erste Eigenproduktion der Schaubude
Gott Regisseur drückt auf einen Knopf. In einem klar abgesteckten Bewegungsraum, auf der Guckkastenbühne, erfüllen drei Figuren seine Wünsche, simulieren einen Regentag, erzählen von der Liebe oder holen ihm seine Jugend zurück. Von seinem Pult aus, seinem „Simulator“, schafft sich der Mann am Knopf seine eigene vorgetäuschte Wirklichkeit. Und die zum Leben erweckten Kreaturen gehorchen ihm aufs Wort. Noch.
In „Die wunderbare Welt der Simulanten“, der ersten Eigenproduktion der Schaubude in Prenzlauer Berg, purzeln die Ebenen nur so durcheinander. Hans-Jochen Menzel ist der Mann am Knopf. Er spielt einen Erfinder, der seinen Simulator an wirklichkeitsmüde Kunden verkaufen will. Er spielt Autor und Regisseur der simulierten Welt innerhalb des Simulators. Und Hans- Jochen Menzel ist Autor und Regisseur der simulierten Welt auf der Bühne auch in Wirklichkeit. Die Simulation hat mindestens zwei Seiten. Das ist auf allen Ebenen zu spüren. Sie dient als Modell, um Fehler zu vermeiden und Risiken auszuschalten. Aber sie bedeutet auch Flucht oder Selbstbetrug und wird so ihren Erfinder beherrschen.
Mit dieser mehrfachen Gratwanderung zwischen Spiel und Wirklichkeit will die Schaubude, die bislang vor allem als Kindertheater bekannt ist, einen kontinuierlichen Spielplan für Erwachsene ins Leben rufen. Knapp ein Jahr ist es her, daß sie in die Räume des ehemaligen Staatlichen Puppentheaters Berlin gezogen ist. Das Programm wurde bis jetzt ausschließlich aus Gastspielen bestritten. Mit „Die wunderbare Welt der Simulanten“ versucht die Schaubude, sich nun auch als künstlerische Produktionsstelle ins Bewußtsein ihrer Zuschauer zu rücken. Dabei will sie eine Tradition wahren, die in der ehemaligen DDR gepflegt wurde: das Ensemblespiel im Puppentheater. Puppen und Ensemble agieren gleichwertig, und im gelungensten Fall kann auch der Mensch schon mal zum Objekt der Puppe werden.
Hier sind es Matthias Faltz und Jens Finke vom Pantomimentheater Finke-Faltz und die Pantomimin Maya Bosch, die – innerhalb des Simulators – ihre Schwierigkeiten mit dem Eigenleben der Puppen haben. Mal muß sich Matthias Faltz gefährlich verrenken, damit sein ausgestopfter Bauch als Bühne für Mini- Stabpuppen herhalten kann, dann tyrannisiert ein plattschädeliger Alter alle drei bis aufs buchstäbliche Messer. Die Simulation wird hier noch mal auf die Spitze getrieben, die leblose Materie beherrscht das Leben so, wie die Fernbedienung den Zapper beherrschen kann.
Im zweiten Teil der Aufführung gibt es leider nur noch eine Ebene. Der Rahmen wird zur Staffage, Gott Regisseur verläßt das Geschehen, nachdem er fast von seinem Pult erschlagen wurde. Mäßig komische Szenen werden aneinandergereiht, der Gedanke an Simulation als Wesen des Theaters ist irgendwo auf der Strecke geblieben und wird am Ende noch einmal bedingt subtil hervorgezerrt. Die Simulanten werden zum Opfer ihre Simulation, erschlagen von einer aus den Fugen geratenen Dramaturgie. Und das ist nun ausnahmsweise und bedauerlicherweise keine Simulation. Anja Poschen
Weitere Aufführungen am 29./30.3., 20 Uhr, 8.–10.4., 21 Uhr, 5.–8.5., 20 Uhr, Schaubude, Greifswalder Straße 81–84.
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