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SanssouciNachschlag

■ Pssst: Erneuter „Sommernachtstraum“ im Hexenkessel

Der gute alte „Sommernachtstraum“ ist so etwas wie die Number one der sommerlichen Open-air-Stücke. Erst letztes Jahr tobten die Geister in einer Inszenierung des Ikaron-Theaters durch Pfützen und Sand hinter dem Tacheles, diesen Sommer nun wabern sie mit dem Thea-Tüt-Ensemble durch die Gemäuer des Hexenkessels. Dezent morbid gibt sich der Hinterhof, schwül-feucht ist die Luft. Das ist so recht das richtige Klima für mystisches und liebestolles Treiben. Trommeln dröhnen in der Nacht, verwehte Stimmen klingen aus den Boxen. Ein Klangteppich aus Säuseln und Brausen, Käuzchenrufen und Zirpen gaukelt uns einen Wald vor. Doch da ist noch mehr.

„Pssst“, mahnt ein drolliges Fabelwesen: „Shakespeare!“ Und weg ist es wieder. Spaßig auch der Fürst: Theseus begrüßt in vorehelicher Freude seine Zuschauer, etwas verschlafen tippeln Elfchen über die Bühne. Entspannung stellt sich ein, der Auftakt verspricht ein lustvolles Spiel mit dem ehrwürdigen Stück um Liebeslust und -last. Doch es wird eine Gratwanderung. Einsame Spitze sind die Schauspieler, wenn's ans Ungeschlachte, Grobe geht. In Lumpen, Schiebermützen und Schlumpfkapuzen geben sie die Handwerker, die zur fürstlichen Hochzeit die hochtraurige Tragödie um Thisbe und Pyramus einstudieren. Göttlich, wie sie eitle Schauspielerattitüden (Milton Welsch als Bottom) annehmen und dabei unbeholfen zum Regisseur schielen (Carsta Zimmermann als Snug).

Doch die Szene zerfasert: Regisseur Jan Christoph Zimmermann setzt zu sehr auf „Wildwuchs“. Demetrius, Lysander, Helena und Hermia (neben Jahnke und Welsch Annett Winkler und Sonja Herrmann) irren später zwar herrlich über die Bühne, doch die leisen Szenen gelingen selten. Stimmlich wenig trainiert, gehen die DarstellerInnen meist hohlem Pathos auf den Leim. Unbegreiflich auch, daß sich Hermia und Lysander bis fast zum Schluß nicht ansehen dürfen, sondern streng ins Publikum gerichtet sprechen und agieren müssen. Aus ihrem Liebesglück wird so ein einsames Allerlei, ein zwanghaft kopflastiges Konstrukt, das um so merkwürdiger anmutet, als weite Spielstrecken mystisch-esoterisch verwuchern. Zu sehr hat sich das Thea-Tüt- Ensemble auf seine körpertheaterbewegte Tradition besonnen und endlose Tänzchen eingesponnen, die als gymnastische Eröffnung jedes Provinzturnfestes durchgingen. Schade auch, daß die Zwitterwelt der Elfen und Trolle in übelster VHS-Patchwork- Ästhetik daherkommt. Petra Brändle

Bis 26. 8., Do.–So,, 22.30 Uhr, Thea-Tüt im Hexenkessel, Schönhauser Allee 177b, Tel. 2829618

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