Sanssouci: Nachschlag
■ Ego am Ende: Roy Faudrees „Dupe“ im Stükke-Theater
Dieses männliche Ego ist am Ende. Seine Frau startet mit einem Karrierekick durch, während er im Kreativstau über einem Drehbuch brütet. Aber ach: Allenfalls übelste Klischees entkommen seiner Denkmaschine, jedes ein Remake aus zehn bereits abgefeierten Hollywood-Schinken. Unterdessen dreht sie den 70-Millionen-Film, den er immer schon gerne gemacht hätte. Damit nicht genug. Zum Abschied hatte sie ihm zwei Sätze serviert, die er wieder und wieder durchkaut: „I need the sexual attention of other men. Do you have a problem with that?“ Kein Wunder, daß er stoppelbärtig um sich selbst rotiert.
Keine Sekunde verläßt der Solospieler Roy Faudree den Drehstuhl und ist doch immer in Bewegung – eine packende und staunenswert präzise Darbietung. Roy Faudree, Mitglied der legendären New Yorker „Wooster Group“, Theaterautor und Gründer des „No Theater“, spielt „Dupe“, Opfer und Betrogenen. Hoffnungslos verstrickt in seine Probleme, so zeigt Faudree einen Loser, dem alle kommunikationstechnischen Hilfsmittel zur Verfügung stehen und der doch keinen Gedanken zu Ende denken kann. Drei Videorecorder, ein Handy, die Stereoanlage, eine Kamera, ein Diktiergerät und weiß der Himmel, was noch, stehen in seinem engen Kabuff und spielen mit ihm – permanent und parallel. Mal beschwört ihn sein mediales Alter ego aus dem Fernsehen mit wohlmeinenden Nullphrasen, dann wieder sind die 1.000 Gesichter des Gesichtslosen zu sehen. Daneben das Koks und literweise Mundwasser gegen seine angeschwollenen Schleimhäute. Ein Einsamer in idiotischer Hyperaktivität.
So fängt er auch einen Videobrief an seine Frau an. Mit einem „Close Up“ will er sich ihr hingeben und gibt doch nur ein Bild des Jammers ab. Nach sieben, acht Jahren und dem „babything“ hat sie ihn verlassen. Seit der Geburt, das hatte er zuvor einem Freund am Telefon erzählt, sei seine Frau wie ausgewechselt. Aus dem soften, nestbauenden Wesen sei eine harte Powerfrau geworden: „A woman that gave birth to herself“. Das Ende der zwei, denn einer müsse doch den weiblichen Part spielen. Während die Monologe klassischer Stücke die Seelenqualen ihrer Figuren im Kontext gesellschaftlicher Machtkonstellationen kunstvoll formuliert spiegeln, ist „Dupe“ vorsätzlich eine ebenso ich- wie unkonzentrierte Stammelei, schnell und fragmentarisch – ein treffendes und spannendes Sinnbild unserer Zeit. Schade, daß Faudree mit seinem Tourneestück vorerst nicht mehr in Berlin zu sehen ist. Petra Brändle
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