Sanssouci: Nachschlag
■ Gerd Kösters heiliger Bimbam in der Bar jeder Vernunft
Bisher war ich immer der Ansicht, daß jede Musikrichtung auch ihre guten Stücke hervorgebracht hat. Mit Kölschem Bluesrock ist das jedoch so eine Sache. Den sollte man wahrscheinlich von Grund auf mögen, wenn man Gerd Köster und seiner Band etwas abgewinnen will. Immerhin genießt der Mann einen phantastischen Ruf – doch die Tatsache, daß Köster für seine Kölschen Coverversionen von Tom-Waits-Stücken gerühmt wurde, hätte mich eigentlich schon im Vorfeld skeptisch machen sollen. Aber ich bin ja nicht unbedingt wegen der Musik zu seinem Auftritt gegangen. Mich interessieren seine Kölner Geschichten, die allen Vorabkritiken nach wirklich lustig sein sollen.
Köster piesackt das Publikum im Auftakt seiner Show. Er sagt, er käme ja nun mal aus Köln und würde also auch Kölsch reden und singen: „Aber ihr Berliner mögt das ja gar nicht!“ Falsch! Man denke schließlich an die absolut kultigen Fußbroichs. Sogar die Figur des Frank Töpper aus der Vorabendserie „Marienhof“ ist unterhaltsam. Kösters Humor läßt mich dagegen eher ratlos. Um die Berliner im Saal für sich zu gewinnen – O-Ton Köster: „sie an den Eiern zu packen“ –, macht er sich schließlich über die Hessen her. „Ein Nachruf auf Freddy Mercury auf hessisch“ heißt die Nummer, die so endet: „Und hätt' er nicht die Jungs gefickt, dann hätt' er auch kein Aids gekricht!“ Das Publikum lacht. Ist das jetzt komisch? „Das meint der doch nicht ernst“, beschwichtigt mich ein Tischnachbar. Ob nun Freddy Mercury, Toni Schumacher oder der einfache Kerl aus der Eckkneipe – keiner ist Köster heilig. Doch was soll's, über all diese Leute hat man sich selber schon besser lustig gemacht.
„Wahrscheinlich besteht hier ein Generationskonflikt“, meint eine andere begeisterte Tischnachbarin, der mittlerweile mein sauertöpfischer Gesichtsausdruck aufgefallen ist. „Man muß den Gerd Köster noch aus den Siebzigern von Schröders Roadshow kennen, um das gut zu finden.“ Bullshit! Auch damals hätte ich das kaum gemocht. Dennoch: Wer sich die Show antun will, hat noch bis Donnerstag Gelegenheit dazu. Eine kleine Einstimmung aus dem Promo-Text: „Treffen sich Toni Schumacher, Freddy Mercury, Fritz Wepper und Heinrich Lübke auf einer Bühne – und der Masochist sagt, quäl mich ... Gerd Köster tut es.“ Und ob. Kirsten Niemann
„Der Tanz um den heiligen Bimbam“, heute und morgen, Bar jeder Vernunft, Schaperstraße 192 (Wilmersdorf)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen