Nachrichten in der Coronakrise: Infektionsschutzgesetz beschlossen
Der Bundestag hat das neue Infektionsschutzgesetz beschlossen. Die Stiko empfiehlt Corona-Auffrischimpfungen für alle ab 18 Jahren.
Bundestag beschließt neues Infektionsschutzgesetz
Der Bundestag hat das neue Infektionsschutzgesetz beschlossen, mit dem die Maßnahmen in der Coronapandemie auch nach Auslaufen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite fortgelten sollen. Für den Entwurf votierten in namentlicher Abstimmung 398 Abgeordnete, dagegen waren 254, es gab 36 Enthaltungen. Weil die Zustimmung des Bundesrats aber noch ungewiss ist, bleibt zunächst offen, ob die Regelung kommende Woche in Kraft treten kann.
Das neue Gesetz sieht bundesweit eine 3G-Regel für Arbeitsplätze und öffentliche Verkehrsmittel vor, zudem können die Bundesländer Maßnahmen wie Maskenpflicht oder Kontaktbeschränkungen erlassen. Einige Maßnahmen, wie Ausgangssperren oder pauschale Schließungen sollen mit der Neuregelung aber nicht mehr möglich sein.
Die Union hat das Gesetz deshalb als unzureichend kritisiert, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst hält es daher nicht für zustimmungsfähig. Der Bundesrat stimmt am Freitag darüber ab.
Die Ampel-Parteien verteidigten das geplante neue Infektionsschutzgesetz im Bundestag gegen die Kritik aus der Union. Die Neuregelung schaffe einen rechtssicheren Rahmen für weitere Maßnahmen, sagte die SPD-Gesundheitsexpertin Sabine Dittmar. Auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt betonte, das neue Maßnahmenpaket „ist deutlich mehr, als wir bisher hatten“.
FDP-Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann wies die Kritik der Union ebenfalls zurück. Die Behauptung, dass die Länder der Pandemie mit dem neuen Maßnahmenpaket „wehrlos“ gegenüber stünden, sei „objektiv falsch“.
Der Gesetzentwurf der Ampel-Fraktionen werde „der Dramatik der Lage nicht gerecht“, sagte hingegen Unionsfraktionsvize Stephan Stracke (CSU). „Sie verkürzen den Maßnahmenkatalog der Länder.“ Es sei ein Fehler, die epidemische Lage von nationaler Tragweite nicht zu verlängern. (afp)
Stiko empfiehlt Corona-Auffrischimpfung für alle ab 18 Jahren
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt ab sofort allen Personen ab 18 Jahren eine Covid-19-Auffrischimpfung. Diese solle in der Regel im Abstand von sechs Monaten zur letzten Impfdosis der Grundimmunisierung erfolgen, teilte die beim Robert-Koch-Institut angesiedelte Stiko am Donnerstag mit. Eine Verkürzung auf fünf Monate könne im Einzelfall oder bei ausreichenden Kapazitäten in Betracht gezogen werden. Bislang hatte die Stiko lediglich Auffrischimpfungen für Menschen über 70 Jahren und besonders gefährdete Personen empfohlen. Stiko-Chef Thomas Mertens hatte aber bereits angekündigt, dass auch Jüngeren die Boosterimpfung empfohlen werden soll. Die Auffrischimpfung soll laut Stiko mit einem mRNA-Impfstoff erfolgen, damit kommen die Vakzine von BioNTech/Pfizer sowie von Moderna in Frage. Bevorzugt sollte eine dritte Dosis zunächst Personen mit Immundefizienz, über 70-Jährigen, Bewohnern in Altenpflegeheimen sowie Personal in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen angeboten werden. Auch bisher noch nicht Geimpfte sollten vordringlich geimpft werden. Diese sollten das Impfangebot dringend wahrnehmen, mahnte die Stiko. (rtr)
Coronakrise kostet Bundesagentur für Arbeit bisher 52 Milliarden
Die Bundesagentur für Arbeit hat ihre bisherigen Aufwendungen für die Coronakrise auf die immense Summe von rund 52 Milliarden Euro beziffert. In den Jahren 2020 und 2021 seien 24 Milliarden Euro an Kurzarbeitergeld, 18 Milliarden Euro für Sozialleistungen aus der Kurzarbeit und zehn Milliarden für pandemiebedingtes Arbeitslosengeld ausgegeben worden, sagte BA-Vorstandsmitglied Christiane Schönefeld in Berlin.
„Das hat alles in den Schatten gestellt, was wir bis dahin kannten“, betonte Schönefeld. In der Spitze sei an einem Tag soviel ausgezahlt worden wie im gesamten Jahr 2019. Damals hatten 1,57 Milliarden Euro im Haushaltsansatz gestanden.
Zur Finanzierung der zusätzlichen Ausgaben sei die im Laufe der Jahre angesammelte Rücklage der Bundesagentur in Höhe von knapp 26 Milliarden Euro fast komplett aufgebraucht worden, sagte Schönefeld. „Wir hatten uns vorgestellt, dass wir aus dieser Rücklage jede Krise finanzieren können.“ Es sollte anders kommen: Rund 24 Milliarden Euro habe der Bund zuschießen müssen. Der Rest sei aus dem Haushaltsansatz bestritten worden.
Auch im nächsten Haushalt für 2022 klafft eine Lücke. Die Bundesagentur geht davon aus, dass sie rund eine Milliarde Zuschüsse des Bundes brauchen wird. Die Ausgaben sollen von prognostizierten 58 Milliarden Euro für 2021 auf 38 Milliarden Euro im nächsten Jahr fallen. Allein zwei Milliarden Euro sollen für die Weiterbildung ausgegeben werden, um Menschen in fachlich höher qualifizierte Tätigkeiten zu bringen.
Für Kurzarbeit sind im nächsten Haushalt nur noch 1,7 Milliarden Euro eingeplant – nach 22 Milliarden im Jahr 2020. Der Haushalt der Behörde wird normalerweise fast ausschließlich aus Beitragseinnahmen gespeist. Für das nächste Jahr wird mit 37 Milliarden Euro gerechnet.
Schönefeld räumte ein, dass ein weiterer pandemiebedingter Lockdown mit dann möglicherweise einem neuen Schub an Kurzarbeit das Defizit vergrößern würde. Wenn es dabei bleibe, dass die Pandemie weitgehend mit den Mitteln der Zugangsbeschränkungen für Ungeimpfte bekämpft werden solle, könne der Ansatz ausreichen. (dpa)
RKI-Chef Wieler: „Wir waren noch nie so beunruhigt“
Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, hat ein dramatisches Bild der Coronalage in Deutschland gezeichnet. „Wir laufen momentan in eine ernste Notlage. Wir werden wirklich ein sehr schlimmes Weihnachtsfest haben, wenn wir jetzt nicht gegensteuern“, sagte Wieler am Mittwochabend bei einer Online-Diskussion mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU).
Die Zahl der Neuinfektionen steige steil an, und tatsächlich dürfte sie weitaus höher sein als bekannt: „Die Untererfassung der wahren Zahlen verstärkt sich.“ Hinter den mehr als 50.000 Infektionen, die derzeit pro Tag neu registriert würden, „verbergen sich mindestens noch einmal doppelt oder dreimal so viele“, so der RKI-Chef.
Zuletzt seien 0,8 Prozent der Erkrankten gestorben. Das bedeute, dass von den mehr als 50.000 Infizierten pro Tag in den nächsten Wochen 400 sterben würden. „Daran gibt es nichts mehr zu ändern.“ In der Bundespressekonferenz habe er zuletzt noch etwas zurückhaltender von 200 Toten pro Tag gesprochen, tatsächlich sei die Zahl aber höher. Niemand könne diesen Menschen noch helfen, selbst mit bester medizinischer Versorgung nicht.
Auch die Lage in den Krankenhäusern wird laut Wieler immer schlimmer. „Wir waren noch nie so beunruhigt wie jetzt“, sagte der RKI-Chef. Die Zahl der schwerkranken Covid-Patienten steige, für Menschen mit Schlaganfall und andere Schwerkranke müsse mancherorts bis zu zwei Stunden nach einem freien Intensivbett gesucht werden. „Die Versorgung ist bereits in allen Bundesländern nicht mehr der Regel entsprechend.“ Und das werde noch zunehmen.
„Sie sehen, die Prognosen sind superdüster. Sie sind richtig düster“, sagte Wieler. „Es herrscht eine Notlage in unserem Land. Wer das nicht sieht, der macht einen sehr großen Fehler.“ Dabei habe das RKI frühzeitig sehr klare Handlungsempfehlungen ausgesprochen und gewarnt, dass die vierte Welle alle bisherigen deutlich übertreffen könnte, wenn keine „bevölkerungsbezogenen Maßnahmen“ ergriffen würden und die Impfquote nicht deutlich steige. Tatsächlich seien die modellierten Szenarien nun eingetroffen.
Wieler warf der Politik schwere Fehler und Versäumnisse vor. „Wir haben zu schnell in zu vielen Bereichen geöffnet“, kritisierte er. „Clubs und Bars sind Hotspots, aus meiner Sicht müssen die geschlossen werden.“ Großveranstaltungen müssten abgesagt werden. In der Bevölkerung gebe es viel zu viele Kontakte, dabei wisse man schon aus der ersten Coronawelle, dass Kontakteinschränkungen wirksam seien.
Zugleich plädierte Wieler für die konsequenten Durchsetzung von 2G-Regeln, also den Zutritt zu vielen Bereichen nur für Geimpfte und Genesene. „Wir dürfen denen, die sich nicht impfen lassen, wirklich nicht die Chance geben, die Impfung zu umgehen, zum Beispiel, indem sie sich freitesten lassen“, sagte er. Um das Impf-Tempo zu erhöhen, sollte auch in Apotheken geimpft werden.
„Ich sag das jetzt mal ganz klar: Es muss jetzt Schluss sein, dass irgendwer irgendwelchen anderen Berufsgruppen aufgrund von irgendwelchen Umständen nicht gestattet, zu impfen. Wir sind in einer Notlage“, betonte Wieler. „Jeder Mann und Maus, der impfen kann, soll jetzt gefälligst impfen. Sonst kriegen wir diese Krise nicht in den Griff.“
Wieler forderte die Politik dazu auf, endlich zu handeln. „Wir müssen nicht ständig etwas Neues erfinden. Alle diese Konzepte und Rezepte sind vorhanden“, sagte er. „Das ist 'ne klare Sprache, aber ich kann es nach 21 Monaten auch schlichtweg nicht mehr ertragen, dass es nicht vielleicht erkannt wird, was ich unter anderem sage und auch viele andere Kolleginnen und Kollegen.“ (dpa)
SPD verteidigt Coronapläne der Ampel
Die SPD hat die geplanten Corona-Neuregelungen der voraussichtlichen Ampel-Regierungspartner gegen Kritik verteidigt. „Wir reagieren mit notwendigen und rechtssicheren Maßnahmen auf die sehr schwierige Coronalage“, sagte SPD-Gesundheitsexpertin Sabine Dittmar am Donnerstag im Bundestag. Die Länder bekämen damit mehr Handlungsmöglichkeiten als mit der noch geltenden Rechtslage. Dazu gehörten weiterhin auch Möglichkeiten, dass Gesundheitsämter bei konkreten Ausbrüchen einzelne Schließungen anordnen könnten.
Die Pläne von SPD, Grünen und FDP sollen eine andere Rechtsgrundlage für Auflagen schaffen, wenn die bisher vom Bundestag festgestellte „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ am 25. November ausläuft. Kommen sollen Zugangsregeln nur für Geimpfte, Genesene und Getestete (3G) am Arbeitsplatz und in Verkehrsmitteln. Für Pflegeheime und Kliniken sollen Testpflichten für Beschäftigte und Besucher verankert werden. Die Länder sollen – auf Landtagsbeschluss hin – auch weiter harte Maßnahmen ergreifen können, etwa Einschränkungen und Verbote von Veranstaltungen. Der Bundesrat muss den Plänen noch zustimmen. (dpa)
Wieder neuer Tageshöchstwert
Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet mit 65.371 neuen Positiv-Tests binnen 24 Stunden abermals einen neuen höchsten Tageswert in der Pandemie. Das sind 15.175 Fälle mehr als am Donnerstag vor einer Woche, als 50.196 Neuinfektionen gemeldet wurden. Die Sieben-Tage-Inzidenz springt auf einen Rekordwert von 336,9 von 319,5 am Vortag. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. 264 weitere Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus. Damit erhöht sich die Zahl der gemeldeten Todesfälle binnen Tagesfrist auf 98.538. Insgesamt fielen in Deutschland bislang mehr als 5,1 Millionen Coronatests positiv aus.
Die Zahl der PCR-Tests ist nach Angaben der Deutschen Laborärzte in den letzten zwei Wochen um 50 Prozent gestiegen. „Sollte die Inzidenz jedoch weiter in dem bisherigen Maße ansteigen, kann es trotz der im Vergleich zum Anfang der Pandemie massiv ausgebauten Testmöglichkeiten in den Laboratorien zu einer verlängerten Untersuchungsdauer kommen“, sagt der Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Laborärzte, Andreas Bobrowski, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Um dies möglichst zu vermeiden, bereiteten sich die Laboratorien durch Neueinstellungen von Personal, aber auch durch einen Ausbau der Gerätekapazitäten derzeit auf diese Situation vor. „Eine Überlastung des Systems wird aber nur dann nicht stattfinden, wenn die Anforderung von PCR-Testungen weiterhin strikt nach den Vorgaben der nationalen Teststrategie erfolgt.“(rtr)
Schwesig für einheitliche Maßnahmen
Vor dem Corona-Gipfel von Bund und Ländern an diesem Donnerstag spricht sich Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) für bundeseinheitliche Maßstäbe im Kampf gegen die Pandemie aus. „Ich sehe die Entwicklung der Coronazahlen in Deutschland mit großer Sorge, insbesondere im Süden Deutschlands. Wir brauchen im Winter wieder stärkere Schutzmaßnahmen. Und wir benötigen einheitliche Maßstäbe, ab wann die Schutzmaßnahmen greifen“, sagt Schwesig der Zeitung Rheinische Post. „Wir in Mecklenburg-Vorpommern haben bereits gehandelt und unsere Corona-Ampel nachgeschärft. Erreichen ein Kreis oder eine kreisfreie Stadt die Warnstufe ‚orange‘ auf dieser Ampel, gilt in vielen Innenbereichen die 2G-Regel, zum Beispiel in der Gastronomie, im Sportstudio oder bei Kulturveranstaltungen. Eine solche verpflichtende Regel könnte ich mir für ganz Deutschland vorstellen.“
Auch SPD-Landesvorsitzende Franziska Giffey dringt auf eine Ausweitung der 2G-Regel auf das gesamte Bundesgebiet. „Wir sind deutschlandweit in einer sehr ernsten Lage“, sagt Berlins designierte Regierende Bürgermeisterin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Wenn alle Angebote, Kampagnen, Sensibilisierungen und Appelle für eine höhere Impfrate nicht mehr helfen würden, dann müsse man verbindlichere Maßnahmen prüfen, um die Infektionszahlen zu senken, das Gesundheitssystem vor Überlastung zu bewahren und einen erneuten Lockdown zu verhindern. „Die deutschlandweite, flächendeckende Ausweitung der 2G-Regel, mit Ausnahmen nur für die, die sich nicht impfen lassen können, gehört dazu.“ Man müsse jetzt alle Anstrengungen unternehmen, damit gerade die Menschen, die sich an die Regeln hielten und sich hätten impfen lassen, nicht noch weitere schwerwiegende Einschränkungen hinnehmen müssten.
Ebenso fordert der Kinderschutzbund schärfere Regeln zur Bekämpfung der Pandemie und ruft Erwachsene auf, sich einzuschränken, damit Schulen und Kitas offen bleiben können. „Es kann nicht sein, dass die Erwachsenen sich hemmungslos vergnügen, indem sie in geschlossenen Räumen Karneval feiern und im Fußballstadion oder auf dem Weihnachtsmarkt dicht gedrängt stehen, während die Schließung von Schulen und Kitas drohen“, sagt der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Donnerstag). Die Politik müsse hier einen Riegel vorschieben, damit nicht wieder die Kinder und Jugendlichen den Preis zahlen. Die Gesellschaft müsse endlich anerkennen, welches Opfer die Kinder und Jugendlichen in der Pandemie gebracht haben, um die Älteren zu schützen. „Jetzt sind wir einmal dran. Die Erwachsenen müssen verzichten.“ (rtr)
Tests in Kitas bleiben freiwillig
Trotz der hohen Inzidenzen und Forderungen nach einem besseren Schutz für Kinder vor einer Covid-19-Erkrankung will die Berliner Bildungsverwaltung von Senatorin Sandra Scheeres (SPD) auch weiterhin keine Testpflicht in Berliner Kitas einführen. Diese werde von einem „relevanten Teil der Elternschaft sowie der Einrichtungen nicht befürwortet“, teilte Sprecher Ralph Kotsch der Deutschen Presse-Agentur mit.
Kotsch verwies auf eine Einschätzung der Verwaltung auf Grundlage von Befragungen während einer Pilotstudie in 30 Kitas. In Berlin werden fast 170.000 Kinder in rund 2.700 Kitas betreut. Gesundheitssenatorin Dilek Kalyci (SPD) wollte sich zu diesem Thema nicht positionieren. Ein Sprecher verwies auf die Bildungsverwaltung.
Während Tests für Schulkinder flächendeckend verpflichtend einführt wurden, setzt Berlin in Kitas auf Freiwilligkeit der Eltern. Der Landeselternausschuss Kita fordert seit Monaten eine flächendeckende Testpflicht auch für Kita-Kinder. „Wir müssen die Kinder besser schützen. Es gibt die Werkzeuge dafür und wir sollten diese auch nutzen. Testen ist das Einzige, was man tun kann“, sagt die stellvertretende Vorsitzende, Anja Kettgen-Hahn. Schließlich könnten Kinder unter zwölf Jahren noch nicht geimpft werden.
Experten des Robert Koch-Instituts (RKI) empfehlen konsequente systematische serielle Testungen als eine Schutzmaßnahme vor Infektionen. Altersgerechte Testkonzepte würden von den Bundesländern insbesondere in Kitas oft nur unzureichend eingeführt, heißt es in einem Bericht.
Auch bei Kindern könnten schwere Krankheitsverläufe, Todesfälle und Langzeitfolgen nach einer Covid-19-Erkrankung auftreten. Das Ausmaß der gesundheitlichen Folgen könne aber noch nicht eindeutig bewertet werden. „Solange diese wichtige Frage nicht geklärt ist, sollten Kinder der Gefahr einer Infektion nicht unnötig ausgesetzt werden“, schreiben die Experten.
Die 7-Tage-Inzidenz liegt in Berlin bei den 0- bis 4-Jährigen bei 207, bei den 5- bis 9-Jährigen bei 996,8. Laut RKI muss aber wegen der fehlenden Testpflicht bei den 0- bis 4-Jährigen von einer „größeren Untererfassung“ ausgegangen werden.
„Ganz bewusst riskiert der Berliner Senat die Gesundheit unserer Kinder und das freie Leben in unserer Stadt“, kritisiert der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Dirk Stettner. Die Fraktion hatte im August beantragt, Lolli-Tests in allen Kitas und Schulen einzuführen.
Bei Lolli-Tests lutschen Kinder und Erwachsene an jeweils einem Tupfer wie bei einem Lolli. Die Tupfer kommen dann zusammen in ein Proberöhrchen, das im Labor mit der PCR-Methode untersucht wird. Ist das Ergebnis positiv, müssen die Beteiligen sich erneut testen, um herauszufinden, wer genau infiziert ist.
Im Sommer hatte der Senat ein Pilotprojekt gestartet. Auch die Kita „Oase“ im Prenzlauer Berg war dabei. Ein Großteil der Eltern habe sich entschieden, seine Kinder auch weiterhin auf eigene Kosten testen zu lassen, berichtet Leiterin Kathrin Hinz.
„Die Lolli-Tests sind viel zuverlässiger als die Antigen-Tests“, sagt Hinz. Die Eltern von 75 der 87 Kinder beteiligten sich demnach. Für Eltern, die die fünf Euro für zwei Tests pro Woche nicht zahlen können, wurde ein Fonds eingerichtet. Für sie und ihre Kolleginnen böten die Tests viel mehr Sicherheit, sagt Hinz. Noch besser wäre aus ihrer Sicht aber eine Testpflicht für alle. „Dann hätten wir die Klarheit, die jetzt fehlt“. Leider seien die Kita-Kinder eine Gruppe, über die überhaupt nicht gesprochen werde, bedauert Hinz.
Von der Bildungsverwaltung kommt keine Aussicht auf Lolli-Tests für alle: „Die bisherigen Auswertungen des Modellprojektes weisen darauf hin, dass die Einführung eines solchen Verfahrens mit erheblichen organisatorischen, logistischen und rechtlichen Anforderungen verbunden ist“, so der Sprecher.
Laut Kathrin Hinz verlaufen die Testungen unkompliziert, Startschwierigkeiten habe es nicht gegeben und die meisten Kinder könnten den Lolli-Test selbstständig durchführen.
Der Landesverband der Arbeiterwohlfahrt in Brandenburg fordert ebenfalls eine Testpflicht für Kitas. Auch der Berliner Verband stehe einer Testpflicht für Kinder in der Kita grundsätzlich offen gegenüber, sagte Sprecher Markus Galle. Allerdings werde mit „erheblichen organisatorischen und logistischen Herausforderungen“ gerechnet. „Definitiv ziehen wir aber eine, wie auch immer organisierte, Testpflicht einer generellen Kitaschließung vor“, so Markus Galle.
„Es muss mindestens möglich sein, dass sich bei einem auftretenden Infektionsfall alle testen können, bevor sie am nächsten Tag wieder in die Kita kommen. Wir appellieren daher an die Eltern, von diesem Angebot Gebrauch zu machen“, betont Dorothee Thielen, die Vorsitzende des Fachausschusses Kindertagesbetreuung der Liga Berlin und des Dachverbands der Berliner Kinder- und Schülerläden.
Theoretisch ist das auch möglich. Berliner Kitas bekommen von der Bildungsverwaltung Antigen-Schnelltests, die pro Kind zwei Testungen pro Woche ermöglichen sollen. „Die Frage ist doch: Testen auch alle Eltern ihre Kinder, wenn es freiwillig ist und die Nasenabstrichtests nicht kindgerecht sind? Oder muss der Senat hier zum Schutz der Kinder eine Testpflicht mit Lolli-Tests einführen?“, so Anja Kettgen-Hahn. (dpa)
Kinderimpfungen ab Dezember denkbar
Das Bundesgesundheitsministerium erwartet, dass die Impfung von 5- bis 11-Jährigen ab dem 20. Dezember möglich sein dürfte. Das geht aus dem Impfstatus-Bericht des Hauses hervor. Dort heißt es, eine mögliche Zulassung eines BioNTech-Kinder-Impfstoffes für diese Altersgruppe werde noch im November erwartet und eine erstmalige Verfügbarkeit ab dem 20. Dezember. In den kommenden Tagen werde das Ministerium mit Ländern, Ärzten und dem pharmazeutischen Großhandel über die Verteilung der ersten Lieferung von rund 2,4 Millionen Einheiten sprechen. (rtr)
Handwerksverband zweifelt an 3G-Regeln
Der Handwerksverband zweifelt an der Umsetzbarkeit der geplanten obligatorischen 3G-Kontrollen am Arbeitsplatz. „Bei den Betrieben etwa der Gebäudereinigung oder im Bauhandwerk, bei denen die meisten Beschäftigten direkt zu den Baustellen und dann oft noch zu täglich wechselnden Objekten und Arbeitsorten fahren, dürfte es extrem schwierig werden“, sagt Hans Peter Wollseifer, der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), der Zeitung Welt. Es sei völlig ungeklärt, wie die verlangten täglichen Kontrollen pragmatisch durchgeführt und nachgewiesen werden könnten.
Die Wirtschaft hingegen begrüßt einem Zeitungsbericht zufolge die geplanten 3G-Regeln am Arbeitsplatz. Es „ist der richtige Schritt in der gegenwärtigen Phase der vierten Coronawelle“, teilt etwa die Deutsche Post in der Handelsblatt-Umfrage unter Dax-40-Konzernen und Familienunternehmen mit. Die Deutsche Börse befürworte die Pläne, „um unseren Mitarbeitenden vor Ort das gute Gefühl zu geben, am Arbeitsplatz, so gut es geht, geschützt zu sein“. Siemens teilt mit, dass „3G neben den bestehenden Abstands- und Hygieneregeln die Sicherheit für all unsere Beschäftigten steigert“. Viele der befragten Unternehmen würden bei der Überprüfung der 3G-Regel allerdings den hohen Aufwand befürchten, heißt es weiter. Für BMW sei er gar „enorm“, aber die Gesundheit der Beschäftigten habe oberste Priorität. Auch Dax-Neuling Sartorius spricht von einem „erheblichen Aufwand“. Ungeimpfte Beschäftigte würden bei der Überprüfung des 3G-Status für Firmen den größten Aufwand machen, sagt Reinhold von Eben-Worlée, Präsident des Familienunternehmer-Verbands. Genesenen- und Impfnachweise seien schnell kontrolliert, die Durchführung und Kontrolle von Tests kosteten viel Zeit. „Das sorgt bei Vorgesetzten für Aufwand und Verdruss.“
Viele Menschen für Homeofficepflicht
Knapp zwei Drittel der Bundesbürger sind angesichts steigender Corona-Infektionszahlen für die Wiedereinführung der Homeoffice-Pflicht in dafür geeigneten Berufen. Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Zeitung Augsburger Allgemeine (Donnerstagausgabe) fordern 61 Prozent eine verpflichtende Regelung, wenn Arbeiten von zu Hause aus möglich ist. 28 Prozent sind gegen eine staatliche Vorgabe, der Rest ist unentschlossen. (rtr)
Ansturm auf die Booster-Impfung?
Der Chef des NRW-Hausärzteverbands, Oliver Funken, rechnet nach der Ankündigung von Gesundheitsminister Jens Spahn mit einem Ansturm auf die Praxen. „Natürlich wird es jetzt erneut einen Ansturm geben“, sagt Verbandschef Oliver Funken der Zeitung Rheinische Post. Teilweise seien in Praxen schon bis Februar keine Impftermine mehr zu bekommen. „Da die Impfstoff-Mengen in den Praxen erst im Juni/Juli ausreichend zur Verfügung standen, sind die meisten Termine für die Booster-Impfung auch erst von Januar bis März 2022. Darauf bereiten wir uns in den Praxen vor.“ Spahn hatte in einem Brief an die Ärzte Booster-Impfungen für alle Erwachsenen und das auch vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist empfohlen. „Es ist unverantwortlich, dass Herr Spahn sich ständig über die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission hinwegsetzt.“ Der Verbandschef geht davon aus, dass es auch Booster-Impfungen für Jugendliche geben wird. „Die 16- bis 18-Jährigen sind seit Ende Mai geimpft worden. Für diese Altersgruppe muss es eine zeitnahe Lösung geben.“ Jugendliche hätten unter dem Lockdown besonders gelitten. „Sie sind offen für das Impfen. Aber auch hier warten wir auf valide Daten, die auch kommen werden.“ (rtr)
Drosten: Infektionszahlen bei Ungeimpften schnell senken
Angesichts der angespannten Coronalage in Deutschland hält der Virologe Christian Drosten einen Maßnahmen-Mix mit 2G-Regel, mehr Auffrischimpfungen sowie Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte für sinnvoll. „Allein um unser Gesundheitssystem weiter funktionsfähig zu halten und die medizinische Allgemeinversorgung gewährleisten zu können, muss es unser oberstes Ziel sein, die Ungeimpften gegen eine Infektion zu schützen“, erklärte der Leiter der Charité-Virologie in Berlin auf dpa-Anfrage. Die Infektionszahlen der Ungeimpften müssten schnell gesenkt werden, da diese Menschen bei einer Infektion ein vielfach höheres Risiko als Geimpfte hätten, ins Krankenhaus zu kommen. Covid-19 sei in erster Linie eine „Krankheit der Ungeimpften“, betonte er.
2G-Regelungen, bei denen nur Geimpfte und Genesene Zugang zu Orten wie Restaurants, Bars und Theatern bekommen, sind zuletzt in vielen Bundesländern eingeführt worden. Mit 2G könne es gelingen, das Infektionsrisiko für die Ungeimpften im öffentlichen Bereich zu senken, führte Drosten aus. „Insofern ist das schon ein erster Fortschritt.“ Das Virus könne aber immer noch in Haushalte eingeschleppt werden: Nötig für einen effizienten Schutz seien daher leider zusätzliche Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte, „die auch ihr häusliches und privates Umfeld betreffen“. Schon vor einigen Tagen hatte Drosten deutlich gemacht, dass er in der 3G-Regel keinen ausreichenden Schutz für negativ Getestete sieht.
„Parallel zu den sofort und vorübergehend einzurichtenden Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte müssen die Auffrischungsimpfungen Fahrt aufnehmen“, erklärte Drosten. Dadurch werde der Übertragungsschutz erneuert und der „ohnehin gute Schutz vor einer schweren Erkrankung“ bei geimpften Erwachsenen weiter erhöht. Durch Boostern, konsequentes Einhalten von 2G und die absehbare Impfung für Kinder ab fünf Jahren werde sich die Inzidenz und damit auch die Zahl schwerer Erkrankungen schrittweise reduzieren.
Tests allein sind für Drosten indes „keine wirkungsvolle Interventionsmaßnahme, um die aktuelle Hochinzidenz in den Griff zu bekommen“. Schon jetzt seien die PCR-Testkapazitäten zu 75 Prozent ausgelastet. „Ein akuter Bedarfszuwachs mit Überlastung der Testkapazität wird in den nächsten Wochen schon allein aus der Krankenversorgung der Krankenhäuser erwartet.“
Die Frage, ob in der Bevölkerung zu große Hoffnungen in die Impfung als Gamechanger gesetzt wurden, verneinte der Virologe. „Die Impfung stellt den erhofften sehr guten Schutz vor einer schweren Erkrankung dar.“ Booster für alle seien nun aber wegen der Deltavariante und der „hohen Zahl von Impfunwilligen“ notwendig. Die Auffrischung verhindere auf Dauer auch keine Infektionen bei Ungeimpften, sie schiebe diese nur auf. „Deshalb müssen wir noch mehr in das Schließen der Impflücken in der Bevölkerung investieren.“
Drosten betont seit Monaten, dass die Impflücke in Deutschland zu groß sei, um gut durch Herbst und Winter zu kommen. Allein bei den Erwachsenen geht es laut Statistik um deutlich mehr als zehn Millionen Menschen, darunter sind viele Menschen ab 60 Jahren mit höherem Covid-19-Risiko. Die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland war zuletzt stark gestiegen, die Belastung der Krankenhäuser und auch der Intensivstationen wächst. (dpa)
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