piwik no script img

Nachfolgekämpfe in der islamischen Republik

■ Im Iran ist ein Kampf um den Kandidaten für die Nachfolge Khomeinis entbrannt / Ayatollah Montazeri ist politisch umstritten

Von Ahmad Taheri

Kronprinzen nahmen in der iranischen Geschichte selten ein glückliches Ende. Die meisten fielen Intrigen, Machtkämpfen und Palastrevolutionen zum Opfer, bevor ihnen die Würde des Souveräns zuteil wurde. Ein solches Schicksal könnte auch dem Groß–Ayatollah Hassan Ali Montazeri, dem „Kronprinzen“ der islamischen Republik beschieden sein. Kaum hatte der 64jährige Geistliche, begonnen, seinen eigenen Machtapparat aufzubauen und sich durch eine eigenständige Politik beim Volk zu profilieren, da bildete sich schon eine breite Front gegen ihn und stellte seine Autorität in Abrede. Als erster ging Ayatollah Meschkini, der Präsident der Ver fassunggebenden Versammlung, dem sogenannten Expertenparlament, in dem Montazeri im Februar vergangenen Jahres zum Erbe Khomeinis bestimmt wurde, gegen den künftigen Souverän in Stellung. „Es gibt“, sagte er vor zwei Monaten in einem Interview, „eine breite Tendenz, die meint, es wäre besser, wenn nach dem Ableben des Imam ein Rat von drei bis fünf Geistlichen die Führung in die Hand nehmen.“ Noch deutlicher stellte Ahmad Khomeiny, der einflußreiche Sohn des Revolutionsführers, die Position Montazeris in Frage. „Mein Vater“, sagte er im September vor einer Schar von Mullahs, „ist mit der Wahl Ayatollah Montazeri nicht sehr glücklich. Er bevorzugt eigentlich die in der Verfassung als Alternative vorgesehene kollektive Führung.“ Als Mitte September das iranische Fernsehen begann, die Rede Montazaris zu zensieren, wußte man in Teheran, wer der eigentliche Wortführer der Kampagne gegen den künftigen Imam ist: der Parlamentspräsident Rafsandjani, dessen Bruder eben der Chef der iranischen Funk– und Fernsehanstalt ist. Angesichts solcher mächtigen Rivalen blieb Montazeri nichts anderes übrig, als Ghom zu verlassen und sich in seinem Heimatdorf Nadjafadad zurückzuziehen. Doch die Kampagne gegen ihn ging weiter und erreichte ihren Höhepunkt Anfang vergangener Woche. Über Radio Teheran gab Mohammad Rayschahri, der Minister für Information und Sicherheit, die Festnahme einiger Mitarbeiter Montazeris bekannt, ohne den Ayatollah selbst beim Namen zu nennen. Zu den Verhafteten, denen man insbesondere die Entführung des Geschäftsträgers der syrischen Botschaft, Mahmud Al– Ayaz, vorwirft, gehören die beiden Brüder Hadi und Mehdi Haschemi. Der erste ist der Schwiegersohn des Ayatollah und Leiter seines Büros. Der zweite ist der Chef des mächtigen Komitees zur „Unterstützung der Befreiungsbewegung“, deren Schirmherr Montazeri selbst ist. Das Komitee, das über einen bewaffneten Verband verfügt, ist eine Art Zentrale der schiitischen Internationale und unterstützt mit Geld, Waffen und ideologischem Rüstzeug die extremistischen Gruppen wie „Islamischer Heiliger Krieg“ im Libanon oder Al–Dawa, die schiitische Opposition im Irak. Das Komitee hat den Export der islamischen Revolution auf seine Fahne geschrieben und kämpft für die Errichtung einer islamischen Republik im Irak. Nach den Festnahmen seines Schwiegersohnes und dessen Bruder eilte Ayatollah Montazeri zu Khomeiny und erreichte bei ihm, der stets auf äußere Einheit des Klerus bedacht ist, die Freilassung seiner Vertrauten. Doch auf seinen Machtapparat, das Komitee, mußte er verzichten. „Ein Staat im Staat soll nicht geduldet werden“, verkündete der Revolutionsführer und ließ seinen Geheimdienstchef Rayschahri den Aktivitäten des Komitees ein Ende bereiten. Der Nutznießer der Affäre um Montazeri ist außer dem Parlamentspräsidenten, der sich bereits als Mitglied einer künftigen Regierung sah, der Regierungschef Mufawi. So sprach er vergangene Woche im iranischen Fernsehen stolz von der Zerschlagung eines Komplotts gegen die islamische Revolution.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen