: Nach der Dauerparty
Wenn das Vakuum größer als die Welt drumrum ist: Mark Ravenhills Shoppen & Ficken auf Kampnagel ■ Von Barbora Paluskova
Der Deal am Joghurtregal war ein Deal fürs Leben. Mark hatte Lulu und Robbie beim Shoppen beobachtet, und ein Fettsack in Lycra sagte: „Sie gehören mir. Sie sind Dreck. Willst du sie kaufen?“ Es ist ein kleines fieses Stück erfundene Biographie, das eine ebenso gemeine Geschichte einleitet: Shoppen & Ficken, das erste abendfüllende Stück von Mark Ravenhill. Im Februar hatte es bereits Thomas Ostermeier in einer vielbeachteten deutschen Erstaufführung in der Berliner Baracke inszeniert. Nun wird es auf Kampnagel von Christian Wiehle und Torsten Beyer auf die Bühne gebracht.
Der Titel sei eine Provokation und eine Warnung zugleich, sagte der Autor in Theater heute, und der aufmerksame Hinweis ist nicht ganz unberechtigt. Der 31jährige wird wie Irvine Welsh zu einer Generation britischer Dramatiker gezählt, in deren Stücken Gewalt, schlechter Sex und Drogen gewohnheitsmäßig und quasi zwangsläufig auf Trostlosigkeit und Leere treffen, wobei das alles als Party gefeiert wird. Ravenhill selbst sieht sich aber mehr von amerikanischen Romanciers wie Ellis und Coupland beeinflußt, bei denen es eher umgekehrt zugeht: Das von ihnen beschriebene Vakuum ist meist beträchtlich größer und bedeutender als die böse Welt drumherum, und für wohlige Schauer bieten die Texte wenig Anhaltspunkte.
Auch im Falle von Shoppen & Ficken ist es allenfalls eine märchenhafte Komponente, die als Antidepressivum wirksam werden kann. Das Stück wirkt im Kern wie eine Großstadtsage, oder, wie Torsten Bayer sagt, wie ein moderner Mythos in Form einer bösen Groteske. Es beginnt, wenn für die drei vom Joghurtregal die große Zeit der Dauerparty vorbei ist. Mark verschwindet in einer Heroin-Therapie, und das alleingelassene Pärchen muß hinaus in die Welt, wo es einen Job als Ecstasy-Dealer ergattert. Leider verletzt Robbie die Regel Nummer eins: Er verschenkt einen Beutel Pillen, die dem bösen Chefdealer Brian gehören, und muß mit Lulu die Schulden durch Telefonsex abarbeiten. Gleichzeitig versucht Mark mit aller Kraft, den Strichjungen Garry zwar zu kaufen, sich aber nicht in ihn zu verlieben – erfolglos natürlich.
Die geschlossene Gesellschaft, in der die fünf Figuren agieren, wird von Wiehle und Beyer in einen verfallenden Club verlagert – die Bar wird zumindest nach der Vorstellung dem Publikum zugänglich sein. Ansonsten stimmen die Regisseure und das Ensemble überein, daß Shoppen & Ficken im Vorfeld am besten durch zwei Regieanweisungen beschrieben werden kann. Die erste lautet: „Schweigen und Ficken“, und die zweite „Tod durch Techno“. Das hört sich nicht gerade nach einer heilen Märchenwelt an.
Premiere: Samstag, 19. Dezember. Weitere Vorstellungen: 22. – 27.12., jew. 20 Uhr, Kampnagel k1
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