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Nach Streik und Straßenkampf tritt Libanons Regierung zurück

Die großen Städte Libanons sind ähnlich verwüstet wie Los Angeles  ■ Von Khalil Abied

Amman (taz) — Die Revolution der Hungrigen im Libanon hat die seit Ende 1990 amtierende, pro-syrische Regierung von Omar Karami gestürzt. Die Straßen der libanesischen Hauptstadt Beirut und anderer Städte wie Sidon, Tyrus und Nabatijeh ähnelten in den letzten Tagen denen von Los Angeles: Wütende Jungen legten Banken, Supermärkte und Geschäfte in Schutt und Asche. Nach vier Tagen Generalstreik und Unruhen erklärte Karami am Mittwoch abend den Rücktritt des gesamten Kabinetts. Am Tage zuvor war er nach Syrien gereist. Der Zunder des Wutausbruchs war der plötzliche und explosionsartige Anstieg des US-Dollar im Verhältnis zum libanesischen Pfund. Damit entdeckten die Libanesen überraschend, daß sie fast 50 Prozent ihrer Einkommen verloren hatten. Seit Jahren wird der US-Dollar im Libanon als zweite Währung gehandelt.

„Das ist eine Verschwörung gegen Syrien“, waren die letzten Worte des Premierministers Karami vor seinem Rücktritt. Die Karami-Regierung war eine Frucht des Golfkriegs-Honeymoons und der damaligen US-syrischen Verständigung. Die USA wollten eine syrische Beteiligung am Feldzug gegen Saddam Hussein und erlaubten im Gegenzug Syrien, im Libanon die bestimmende Macht zu bleiben. Doch heute werden die Nahost-Karten neu gemischt: Die Hoffnungen Syriens, endgültig zur Regionalmacht zu werden, sind vorbei. Statt dessen verstärkt sich der Druck auf Syrien, den Libanon aufzugeben.

„Es waren immer regionale und internationale Mächte, die im Libanon und um den Libanon gestritten haben“, schreibt Sarkis Naom, Kommentator der libanesischen Zeitung 'Al-Nahar‘. Er nennt das, was heute passiert, eine neue Form des Krieges, einen ökonomischen Krieg. „Die neue Waffe ist der Dollar, aber die Drahtzieher sind die gleichen geblieben.“

Die Wirtschaftslage Libanons hat sich in Karamis Regierungszeit drastisch verschlechert. Versprochene Finanzspritzen der USA und EG wurden eingefroren. Die libanesischen Millionäre, die Milliarden von Dollar im Ausland halten, weigerten sich, in ihrem eigenen Lande zu investieren. Im Libanon zahlt heutzutage kein Mensch Steuern. Die Minister und ihre Klientel haben das, was vom Staat noch übrig war, wie einen Selbstbedienungsladen behandelt. Nun ist der Staat pleite.

Die Regierung zeigte auch ihre Unfähigkeit, die politischen Probleme des Landes zu lösen. Trotz der Aufhebung der „Grenzen“ zwischen den von verschiedenen Gruppierungen gehaltenen libanesischen Gebieten sind die politischen und psychischen Mauern zwischen den verschiedenen Religionsgruppen und politischen Parteien höher geworden. Selbst die Beziehungen zwischen den „Drei Großen“ — Präsident Hrawi, Premierminister Karami und Parlamentssprecher Alhussein — waren so schlecht, daß der syrische Präsident Assad persönlich zwischen ihnen schlichten mußte. Die Regierung war also auch politisch pleite.

Ein wichtiger Faktor ist zudem, daß im Gefolge Syriens auch der Libanon die multilateralen Nahost- Friedensgespräche in Moskau boykottiert. Wenn in den kommenden Wochen die in Moskau gebildeten Arbeitsgruppen zum ersten Mal tagen, müssen Damaskus und Beirut überlegen, ob ihre Plätze auch dann noch leer bleiben.

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