Nach Nato-Luftangriff: Generalinspekteur tritt zurück
Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, verliert wegen der Informationspannen nach einem Luftangriff der NATO in Afghanistan sein Amt.
BERLIN dpa Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) teilte im Bundestag mit, dass Deutschlands ranghöchster Soldat, Wolfgang Schneiderhan, wegen der Informationspannen bei einem NATO-Luftangriff in Afghanistan um sein vorzeitiges Ausscheiden gebeten habe. Der 63-jährige Schneiderhan war seit Juni 2002 Generalinspekteur der Bundeswehr. Auch Verteidigungs- Staatssekretär Peter Wichert (64) gibt sein Amt vorzeitig auf.
Bei dem Luftangriff in der Nähe des deutschen Lagers Kundus wurden nach offiziellen Angaben Anfang September bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt. Der Angriff war von einem deutschen Oberst angefordert worden. Guttenberg bestätigte, dass unter seinem Vorgänger Franz Josef Jung (CDU) wichtige Informationen zurückgehalten worden seien. Schneiderhan und Wichert hätten die Verantwortung übernommen. Die Opposition verlangte auch Konsequenzen vom heutigen Arbeitsminister Jung, der bis zum vergangenen Monat für die Bundeswehr zuständig war.
Guttenberg sagte, er selbst habe einen von der "Bild"-Zeitung (Donnerstag) zitierten Bericht erst am Mittwoch das erste Mal gesehen. Ebenso seien weitere Berichte und Meldungen in der letzten Legislaturperiode nicht vorgelegt worden. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) reagierte nach Angaben aus seinem Umfeld mit "völligem Unverständnis" auf die Informationspannen.
Beide Minister warben vor dem Bundestag um eine möglichst geschlossene Unterstützung für den Afghanistan-Einsatz. Zugleich mahnten sie eine "Abzugsperspektive" an. "Wir müssen den Afghanistan- Einsatz vom Ende her denken", sagte Guttenberg. "Wir müssen noch deutlicher festlegen, wie und unter welchen Umständen wir diesen Einsatz auch beenden können." Westerwelle sagte ebenfalls: "Niemand will diesen Einsatz bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag."
Der jetzige Arbeitsminister Jung wies die Vorwürfe zurück, möglicherweise Informationen über zivile Opfer bei dem Luftangriff zurückgehalten zu haben. In Berlin erklärte Jung am Donnerstag, es sei eine Tatsache, "dass ich von Anfang an und auch beispielsweise am 6. September klar gesagt habe, dass wir zivile Opfer nicht ausschließen können".
Derzeit sind in Afghanistan etwa 4500 Bundeswehr-Soldaten im Einsatz. Bislang kamen dort 36 deutsche Soldaten ums Leben. Mehr als 120 Soldaten wurden verletzt.
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