Nach Erdbeben in Großbritannien: Regierung stoppt Fracking

Nach Erschütterungen in Blackpool wird die umstrittene Erdgas-Fördermethode ausgesetzt. Die Industrie fordert nun einen höheren Grenzwert.

Britisches Frackinggebiet in weiter Ferne, durch einen Zaun fotografiert. Bild aus dem Jahr 2018

Schuld am schwersten Erdbeben der britischen Geschichte? Bohrstelle in Preston New Road Foto: Hannah McKay/reuters

DUBLIN taz | In der Gegend um die einzige britische Fracking-Anlage in der Preston New Road im nordwestenglischen Blackpool bebte binnen elf Tagen viermal die Erde. Das ist aber kein Grund zur Sorge, wenn man Cuadrilla glauben darf. Ein Sprecher des Fracking-Unternehmens sagte, dass die meisten Menschen in der Gegend von dem Beben gar nichts mitbekommen haben, weil es so schwach gewesen sei. Das sei ungefähr so, als ob jemand eine große Einkaufstüte fallen gelassen hätte.

Das British Geological Survey hat jedoch Anfang letzter Woche ein Beben mit der Stärke von 2,9 auf der Richterskala gemessen – das stärkste Erdbeben in der britischen Geschichte. Besonders besorgniserregend sei, dass die Stärke mit jedem der vier Erdbeben zugenommen habe. Die Regierung unterband das Fracking deshalb am Mittwoch vorerst. Laut britischen Bestimmungen dürfen die durch Fracking ausgelösten Beben die Stärke 0,5 nicht überschreiten.

Beim Fracking werden unter hohem Druck Wasser und Chemikalien in den Boden gepumpt, um Gesteinsschichten aufzubrechen und das darin gespeicherte Öl und Gas zu gewinnen. Der Fotograf Stephen Cheatley, der wenige Kilometer von der Preston New Road entfernt wohnt, sagte dem ­Guardian, dass er „einen Knall wie einen Gewehrschuss“ gehört habe. Dann wackelte sein Haus fünf Sekunden lang. Das Zittern der Erde war sogar im mehr als 20 Kilometer entfernten Preston zu spüren.

Cuadrilla erklärte, das Unternehmen habe an dem betreffenden Wochenende gar nicht gefrackt. Die Sache werde aber untersucht. „Wir verstehen, dass die Anwohner besorgt sind“, sagte ein Sprecher. „Sie sollten sich aber beruhigen und zur Kenntnis nehmen, dass das Beben nur eine Sekunde dauerte und die maximale Erdbewegung bei fünf Millimeter pro Sekunde lag.“ Das sei lediglich ein Drittel der zugelassenen Bewegung bei Bauprojekten.

Jeremy Corbyn fordert Fracking-Verbot

Cuadrilla musste bereits 2011 nach einer Erdbebenserie das Fracking in der Preston New Road für sieben Jahre einstellen. Das Unternehmen argumentiert, dass die Obergrenze von 0,5 auf der Richterskala die Fracking-Industrie abwürge. Die Regierung solle die Bestimmung lockern und außerdem die Fracking-Lizenz, die im November ausläuft, verlängern, fordert Cuadrilla.

Einige Minister stehen dem wohlwollend gegenüber. Boris Johnson hatte kurz nach seinem Amtsantritt als Regierungschef den Wirtschaftsminister Greg Clark durch Andrea Leadsom ersetzt. Die ist ausgewiesener Fracking-Fan. „Schiefergas ist eine großartige Chance“, sagte sie. „Wir wären verrückt, nicht zu überlegen, was wir damit machen können.“ Ein Regierungssprecher fügte hinzu: „Schiefergas könnte eine wichtige neue einheimische Energiequelle sein. Dadurch können der Import von Gas gesenkt und neue, gut bezahlte Jobs geschaffen werden. Außerdem wird dadurch unser Null-Emissions-Ziel bis 2050 unterstützt.“

Rosie Rogers, Greenpeace

„Es wird Zeit, dass die Regierung zugibt, aufs falsche Pferd gesetzt zu haben“

Das Gegenteil sei der Fall, sagte Labour-Chef Jeremy Corbyn. Er forderte Johnson auf, Fracking zu verbieten, wie es in Schottland bereits geschehen ist. Andernfalls habe man wegen der Kohlendioxid-Emissionen durch Fracking überhaupt keine Chance, das Null-Emissions-Ziel zu erreichen. Corbyn hatte Ende Juli an einer Demonstration vor der Fracking-Anlage teilgenommen.

Rosie Rogers, die Klimabeauftragte der Umweltorganisation Greenpeace, erklärte dazu: „Bei diesem Klimanotstand ist es schockierend, dass die Regierung ihre Zeit damit verschwendet, über Fracking nachzudenken. Es wird Zeit, dass sie zugibt, auf das falsche Pferd gesetzt zu haben.“ Der für den Wahlkreis Blackpool zuständige Unterhausabgeordnete Mark Menzies von den Tories sagte: „Die jüngsten Erdbeben zeigen, dass die Fracking-Industrie nicht in der Lage ist, innerhalb der ­Sicherheitsbestimmungen zu operieren.“

Schiefergasvorkommen geringer als behauptet

Cuadrilla habe wiederholt gegen die Richtlinien verstoßen, meint auch Daniel Carey-Dawes von der Kampagne zum Schutz des ländlichen England. Statt das Unternehmen zur Rechenschaft zu ziehen, sollen nun die Richtlinien gelockert werden, empört er sich. „Das würde das Vertrauen der Öffentlichkeit weiter untergraben, und es ist mit bedeutenden Umweltrisiken behaftet“, sagte er.

Darüber hinaus hat eine Untersuchung der Universität Nottingham ergeben, dass die Schiefergasvorkommen in Großbritannien weit geringer seien, als die Fracking-Unternehmen und die Regierung behaupten. In Wirklichkeit betragen die Vorräte lediglich ein Sechstel der kolportierten Menge.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.