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Archiv-Artikel

Nach 100 Tagen ist die Bilanz für Umweltminister Gabriel positiv Die Nagelprobe steht noch aus

Wenn ein Bundesumweltminister nach 100 Tagen im Amt von den Umweltverbänden gelobt wird, dann hat er wenig falsch gemacht. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel zog gestern seine erste Arbeitsbilanz, und die Umweltbewegung applaudierte. Gabriel sieht selbst, dass seine Amtszeit unter einer politisch günstigeren Konstellation steht als die seines Vorgängers Trittin. Erstens ist Gabriels Widerpart – Bundeswirtschaftsminister Michael Glos – bislang beängstigend blass. Der scheint noch vom Gerassel des exdesignierten Exwirtschaftsministers Edmund Stoiber gelähmt. Zweitens war es ein christsozialer Fehler, das Wirtschaftsministerium um den „Bereich“ Arbeit zu amputieren. Das Ergebnis ist ein schwaches Ministerium – mit einem schwachen Minister.

Zwar betont Gabriel die gute Zusammenarbeit mit Glos. Das war bei Jürgen Trittin auch schon so. Und doch war es ganz anders: Arbeits- und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement war ein Charismat, der viel Macht in Partei und Amt genoss. Tatsächlich erlaubte ihm das häufig, die vom Hause Trittin vorgetragenen Belange zu marginalisieren. Atomares-Endlager-Gesetz, Solare-Wärme-Gesetz, Energiewirtschaftsgesetz: Die Bündnisgrünen konnten sich immer nur dort – und dort auch nur so weit – durchsetzen, wie es Bundesarbeits und -wirtschaftsminister Clement zuließ. Da hat es Gabriel schon besser: Die SPD ist seit den Bundestagswahlen fast genau so stark wie die Union – was erstens gleiche Augenhöhe der Koalitionäre sichert und zweitens die Bundesratsblockade löst.

Zudem weiß Gabriel mit Arbeitsminister Franz Müntefering einen Mitstreiter an seiner Seite, der Nachhaltigkeit als Grundprinzip sozialdemokratischer Politik ansieht. Im Dreieck Wirtschaft–Umwelt–Arbeit sind die Gewichte damit deutlich zugunsten der Umwelt verlagert. Die Voraussetzungen sind also gut, und Gabriel scheint der richtige Mann, diese auch nutzen zu können. Die Nagelprobe für sein Können stehen allerdings noch aus: Angela Merkel hat Anfang Juli zum Energiegipfel ins Kanzlerinnenamt geladen, um der Atomkraft eine neue Zukunft zu geben. NICK REIMER