: NEU IM KINO: „Mau Mau“ Die letzten Tage von St. Pauli
„Dreh mir nicht den Rücken zu, das macht mich nervös“ — „Paß bloß auf, sonst kriegste eins mit der Handkante“ — „Dann zieh ich dir den Aschenbecher über den Kopf.“ So beginnt ein Flirt in der Mau- Mau-Bar. Nach einigen Schnäpsen zeigt Ferdi seine Tätowierungen unter der Gürtellinie, und am nächsten Morgen sind Frau und Brieftasche weg.
So lapidar und trostlos sind alle Episoden, die Uwe Schrader in seinem dritten Spielfilm aneinanderreiht. Er erzählt keine Kinogeschichten mit irgendeiner Auflösung, die seinen Pessimismus erträglicher machen könnte. Er verklärt das schäbige Nachtclubmilieu des Hamburger Kiez nicht zu einer exotischen Freakshow, sondern er scheint nur einfach die Kamera auf diese Szene zu halten. „Mau Mau“ wirkt fast wie ein Dokumentarfilm — absichlich ungeschliffen und hart.
Der Film zeigt den Untergang des Viertels. Der Besitzer baut seine Bars in Spielhallen um und die Chefin Inge weiß, daß die Tage des Mau Mau gezählt sind. Von ihr, dem Animiermädchen Rosa, der Stripperin Doris und den mit ihnen befreundeten Männern erzählt Schütte — von ihren krummen Geschäften, Streitereien, Trinkgelagen und alltäglichen kleinen Niederlagen.
„Ich bin mit meinem Leben ganz zufrieden“ — „Das glaubst du wohl selber nicht“ — so reden die Insassen des Mau Mau ständig miteinander. Aber die Figuren des Filmes behalten in all der rotzigen Tristesse ihre Würde.
Ein paar Schnäpse, dann zeigt Ferdi die Tätowierungen unter der Gürtellinie. Am nächsten Morgen sind Frau und Brieftasche weg.
Schütte erzählt illusionslos, bleibt aber dabei immer auf ihrer Seite. Zudem hat er einen guten Sinn für die Besetzung der Rollen. Die Schauspieler sind so realistisch, daß man als Zuschauer fast glaubt, man könne die alte Jacke von Heinz (Peter Franke) oder die Mischung aus Schweiß und Schminke bei Rosa (Catrin Striebeck) riechen. In einer Nebenrolle ist übrigens Bremens scheidender Oberspielleiter Andras Friscay Kali Son als protziger Zuhälter zu bewundern. Er brauchte sich dafür nicht mal umzuziehen. Wilfried Hippen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen