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NEU IM CINEMA: „London kills me“

Trantütige Gesichter schleichen um Straßenecken, verlotterte Gestalten tuscheln Heimlichkeiten, und kleine Plastiksäckchen wechseln unauffällig die Besitzer. Menschen kauern in Hauseingängen, betteln, schreien, lallen. Ein ganz normaler Tag — nein, nicht an der Sielwallkreuzung — sondern in Notting Hill im Westen Londons. Hier verdient Clint seinen Unterhalt mit dem Verkauf von Drogen. Er versorgt sich und seine Klientel mit allem, was high macht. Das Elend rund um die Touristenattraktion Portobello Road kommt in keiner Postkartenidylle vor, in keinem Reiseführer. Der britische Autor Hanif Kureishi („Mein wunderbarer Waschsalon“, „Sammy und Rosie tun es“, beide verfilmt von Stephen Frears) hat sich in seinem Erstlingswerk London Kills Me mit der tristen Kehrseite der Flohmärkte, Trödelstände und Kitschboutiquen beschäftigt. Er wollte zeigen, daß London, der Schmelztiegel, ein dreckiger Sumpf geworden ist.

106 Minuten nahm sich Kureishi Zeit, die Geschichte von Clint, dem hageren Flippie, zu erzählen. Von seiner Beziehung zu Sylvie, der heroinsüchigen jungen Frau seines Verlangens, von Muffdiver, der den großen Deal abziehen will und den vielen Drop-Outs von der Straße. Eindreiviertel Stunden sind allerdings eine lange Zeit, wenn ein Regisseur keine Erfahrung hat mit dem Filmemachen. Recherchiert hat er genau, das wollen wir ihm glauben, doch viel Stoff macht noch keine Geschichte — und viele Ideen noch keinen Text.

Liefe der Film im Fernsehen, der Griff zur Fernbedienung läge nahe. Träge schleppt sich die Handlung durch's Drogenmilieu, angereichert durch einen Wust von exaltierten Typen mit dummen Sprüchen. „Geile Boots, echt spacige Wohnung, kein Thema, ey, zick' nicht 'rum, abgefahrene Szene, jetzt drifte bloß nicht ab“ geht es ohne Unterlaß. Das Ganze ist so langweilig inszeniert, so dusselig synchronisiert und so egal, daß nicht einmal der Oberklopfer „Seine Wange gleicht dem Zusand abgedroschener Tage“ noch Empörung verursachen kann.

Mag sein, daß London tötet, Kureishi jedenfalls enthält dem Publikum diesen Schauplatz vor. „Oxbridge-Under-Lyne kills me“ hätte der Film auch heißen können, oder „Die Sielwallkreuzung macht mich fertig“. Sparen wir das Eintrittsgeld für Ein- und Ausblicke, die sich leicht gratis und rund um die Uhr nur zwanzig Meter vom Cinema Ostertor entfernt machen lassen. J.F.Sebastian

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