Schwedens erste Abschiebungen für die Türkei

Ankara verbindet seine Zustimmung für die Nato-Norderweiterung mit Auslieferung von „Terroristen“

Aus Stockholm Reinhard Wolff

Die Ausweisung von zwei Kurden am Freitag wird in mehreren türkischen Medien als großer Erfolg der Regierung dargestellt: Stockholm wurde zur Auslieferung gezwungen, als Gegenleistung für eine Ratifizierung des schwedischen Nato-Beitrittsantrags. Die Identität eines Abgeschobenen war am Sonntag noch unbekannt. Bei dem Zweiten geht es um den wegen angeblicher Zusammenarbeit mit der PKK in der Türkei verurteilten Mahmut Tat. Bei seiner Ankunft am Flughafen Istanbul wurde er festgenommen und am Samstag inhaftiert.

Recep Tayyip Erdoğan hatte Schweden vorgeworfen, ein regelrechter Hort für kurdische Terroristen zu sein. Als Bedingung für eine türkische Zustimmung zur Nato-Norderweiterung hatte der türkische Präsident die Auslieferung von 73 namentlich genannten „Terroristen“ gefordert.

Der Name von Mahmut Tat stand nicht auf dieser Liste. 2015 flog er nach Schweden, nachdem ein türkisches Gericht ihn zu einer Gefängnisstrafe wegen „Zusammenarbeit mit einer Terrororganisation“ verurteilt hatte. Tat bestreitet jegliche Verbindung mit der PKK. Der einzige Beweis, der vor Gericht vorgelegt wurde, sei die Aussage eines ehemaligen PKK-Mitglieds gewesen, der nun als Polizeiinformant arbeitet.

Tat stellte in Schweden einen Asylantrag, den die Migrationsbehörde erst im März 2020 negativ beschied. Im Februar 2021 lehnte das Migrationsgericht eine gegen diese Entscheidung erhobene Klage ab. Eine Ausweisung hatte offensichtlich keine Priorität und Tat arbeitete in Göteborg weiter. Nachdem ihm eine Krebserkrankung diagnostiziert wurde, beantragte er eine Aufenthaltserlaubnis. In vergleichbaren Fällen werden solche Anträge positiv entschieden.

Am 22. November wurde Tat plötzlich verhaftet, zwei Tage später kam dann er in Abschiebehaft – eine Woche nachdem sich Repräsentanten der Regierungen Schwedens, Finnlands und der Türkei in Stockholm getroffen hatten. Sie verhandelten „über die Umsetzung des Übereinkommens von Madrid“: Beim Nato-Gipfel Ende Juni in der spanischen Hauptstadt hatten sich Finnland und Schweden verpflichtet, die „Aktivitäten aller terroristischen Organisationen“ zu unterbinden. Am vergangenen Mittwoch sprach der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu von „positiven Schritten“ und erwartete „konkrete Handlungen“. Schwedens Migrationsministerin Maria Malmer Stenergard bestritt jede Einflussnahme ihrer Regierung auf das Handeln von Migrationsbehörden und Polizei.

Um Ungarn, das zweite Nato-Land, das die Norderweiterung noch nicht ratifiziert hat, kümmert sich derweil Finnland. Nach einem Telefonat mit dem ungarischen Ministerpräsidenten beschrieb der finnische Staatspräsident, Sauli Niinistö, Viktor Orbán als einen zuverlässigen Partner.