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Archiv-Artikel

Musik als Lückenbüßer

Weg mit der höfischen Rahmenhandlung. Die Düsseldorfer Intendantin Amélie Niermeyer inszeniert Shakespeares „Wie es euch gefällt“ mit Thomas Braschs moderat modernisierter Übersetzung

VON REGINE MÜLLER

Seit Jahr und Tag wird über die gähnende Leere des Düsseldorfer Gustav-Gründgens-Platz vor dem Schauspielhaus diskutiert. Bislang wurde keine schlüssige Gestaltungsformel für den verschenkten Raum gefunden, nur an seinem der angrenzenden Einkaufsmeile zugewandten Rand konnte sich ein kleiner Skatertreff etablieren, wo sich Kids auf einer schnittigen Rampe – erst nur geduldet, dann abgebaut, nun wieder reanimiert – austoben. Ein schöner Bezug auf die Welt da draußen könnte man meinen, wenn man eine ähnliche Halfpipe als Spielfläche für Shakespeares „Wie es euch gefällt“ auf der Bühne erblickt.

Der lustige Verweis ist jedoch reiner Zufall, denn die Shakespeare-Produktion, mit der die von der Kritik nicht mehr ungeschorene Intendantin Amélie Niermeyer sich mit ihrer dritten Regie vorstellt, ist eine überarbeitete Übernahme aus Freiburg, wo Niermeyer sich für den Düsseldorfer Posten empfohlen hatte. Die an den Seiten steil ansteigende Bühne (Marie-Alice Bahra), belegt mit weißen Kuschel-Flokati ist Hindernis, Ruhestatt und Rutschbahn in einem, auf der das auf neun Figuren eingedampfte Personal sich Schweiß treibend abzuarbeiten hat. Die gewitzte Konstruktion, die der eigentliche Clou des Abends ist, erhebt sich auf der Hinterbühne des großen Hauses, wohin das Publikum über schmale Treppen und Gänge unter Umgehung des repräsentativen Foyers gelangt. Zu beiden Seiten der Flokati-Rutsche sitzt es dann auf Tribünen, greifbar und in Augenhöhe mit den Schauspielern, die zu Beginn mal wieder auch im Publikum verstreut sitzen.

Nicht nur Personal, auch reichlich Handlung wurde in Düsseldorf gestrichen: auf der Basis von Thomas Braschs moderat modernisierter Übersetzung verzichtet Niermeyer auf die höfische Rahmenhandlung und konzentriert sich auf die zentralen Liebesränke und -spiele der Shakespeareschen Komödie. Damit wird dem schillernden Werk nicht zwangsläufig der Stachel entfernt, denn auch das zwielichtige Treiben um Geschlechtertausch, Verkleidung, Täuschung und gesellschaftlichen Stellungskrieg birgt ausreichend Witz und Konfliktstoff. Niermeyer will jedoch ein Theater zeigen, das Shakespeares Titel trügerisch nahe zu legen scheint: „Wie es euch gefällt“. Sie setzt daher weniger auf ein stringentes Konzept als auf das spielfreudige, gut eingespielte und vom Gaststar Juliane Köhler (Rosalind) – dem Kinofan durch „Aimee und Jaguar“ und „Der Untergang“ ein Begriff – überstrahlte Ensemble.

Die von der Liebe und dem Davor-Ausweichen gebeutelten Figuren sind in rastloser Bewegung und müssen des Guten zu viel tun. Sie rennen, klettern und rutschen, dass der Flokati fusselt und haben doch ihre besten Momente dort, wo Niermeyer sie der Ruhe überlässt und ihnen vertraut. Auf dieser Spur hätte der Abend gelingen können als witziges, bisweilen mit poetischen Sprachinseln durchsetztes Beziehungsspiel. Doch er lenkt sich selbst ab und driftet ab in propere Effekte. Nur punktuell kann man tieferes Interesse aufbringen für die Liebesqualen der Verkleideten und Gehemmten, vor allem da, wo die Sprache ungehindert funkelt, und Ironie zugleich amüsiert und schmerzt.

Bisweilen streift der dichte Bilderreigen haarscharf den Kitsch – rotes Licht bei Liebesrausch! – was durch den massiven Musikeinsatz (Cornelius Borgolte) noch gefühlsverstärkt wird. Hier wäre weniger mehr gewesen, denn oft drängt die Musik sich als ungebetener Lückenbüßer ins Geschehen, das die Schauspieler mühelos allein tragen würden. Fazit: Ein unterhaltsamer, gefälliger Abend, der sein Publikum finden wird. Die bislang vermisste Richtung kann er indes auch nicht aufzeigen.

19:30 Uhr, Schauspielhaus Düsseldorf Infos: 0211-369911