: Museum statt Knast
■ In Ostertorwache sollen Kunst und Kultur statt Abschiebehäftlinge und Akten
Für gute Ideen, ehrenwerte Vorsätze und beste Absichten gibt es in Bremen schlechterdings keinen Platz. Während die guten Absichten fromme Wünsche bleiben, wird der Platz für Knastzellen von Abschiebehäftlingen gebraucht.
Ein solcher Platz liegt mitten im Bremer Ostertor, direkt gegenüber vom Gerhard Marcks-Haus und sieht auch fast genauso aus: Die Ostertorwache, ein hübsch-häßlich -klassizistisches Gebäude in Fußwegnähe zum Bremer Stadt-und Polizeiamt. Mit ein paar ordnungshüterischen Schritten wird hier provisorisch untergebracht, wer Bremer oder Bundesrecht bricht, besoffen Auto fährt oder - laut Gerichtsurteil überhaupt nichts mehr bei uns zu suchen hat: Abgelehnte Asylbewerber warten hier hinter Gittern auf den Zwangsflug in die Abschiebeländer.
Warum das - wenn überhaupt - ausgerechnet hier nötig ist, überlegt seit zwei Jahren eine Arbeitsgruppe des Senators für Bildung, Wissenschaft und Kunst. Das zentral, direkt an der Kunsthalle gelegene Gebäude, würde der Senator gern „kulturell“ nutzen, auch wenn bislang nicht klar ist, wie.
Eine Idee hätte z.B. die „Arbeitsgemeinschaft Bremer Geschichtsgruppen“. In Zusammenarbeit mit dem DGB plant sie seit langem ein „Museum des Alltags
und der Arbeit“ in Bremen. Für ein ganzes Museum mit alten Maschinen, Rauminstallationen, die proletarische Wohnverhältnisse
des letzten Jahrhunderts nachbilden, und alle sonstigen Schikanen der Arbeiterbewegung ist die Ostertorwache zwar zu klein.
Aber ein Anfang ließe sich hier machen. Zum Beispiel durch eine Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus in Bremen. 1933 wurden hier Bremer Kommunisten, Sozialdemokraten, Juden gefangen gehalten, bevor sie ins Konzentrationslager Mißler abtransportiert wurden.
Geschichtsgruppen und DGB sind allerdings nicht die einzigen Aspiranten auf eine „kulturelle Nutzung“ der Ostertorwache. Auch das Bremer Foto-Forum hat bei Ortsamtsleiter „Hucky“ Heck dringenden Raumbedarf angemeldet, nachdem Mietvertrag in der Böttcherstraße endgültig gekündigt wurde. Hoffnung auf eine feste Bleibe in der Ostertorwache macht sich allerdings auch der Verband freischaffender Künstler“ in Bremen. Und schließlich sucht Ortsamtleiter Heck auch für die Bremer Frauen -Gleichstellungsstelle ein neues Domizil. In der Schule Schmidtstraße soll die Gleichstellungsstelle wieder Platz für SchulanfängerInnen machen.
Vorerst werden all diese Träume allerdings Schäume bleiben. Noch verfügen Innensenator Peter Sakuth und das Stadt-und Polizeiamt über die Ostertorwache. Im Prinzip sind beide zwar zu einem Umzug bereit. Aber nur, wenn sie vorher wissen, wo sie mit Akten und Abschiebehäftlingen bleiben können.
K.S.
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