piwik no script img

Müde bin ich, komm' bald wieder

■ Diepgen bekommt auf dem Parteitag Rückendeckung für die umstrittenen Haushaltsbeschlüsse, wirkt aber müde. Landowsky macht den Blitzableiter

Eberhard Diepgen wirkt angeschlagen. Zerknautscht, wie vor der ersten Tasse Kaffee am Morgen, sitzt er auf dem Podium des CDU-Landesparteitages. Die gedämpfte Stimmung des CDU-Landesvorsitzenden fällt um so mehr auf, als neben ihm ein quirliger Klaus-Rüdiger Landowsky sitzt. Am CDU-Fraktionschef sind die langen Nächte der Haushaltsklausur offenbar spurlos vorübergegangen. Er ist bester Laune.

Vor dem Parteitag war Diepgen zum Prügelknaben der Partei geworden. In der Haushaltsklausur habe er nicht hart genug mit dem Koalitionspartner verhandelt. Führungsschwäche wurde ihm vorgehalten. Er sei amtsmüde, hieß es. Mögliche Nachfolger wurden lanciert. Da sagte Parteifreund und Weggefährte Landowsky im Tagesspiegel, er wisse nicht, ob Diepgen 1999 nochmal als Spitzenkandidat ins Rennen gehen werde.

Den illoyalen Seitenhieb wollte Landowsky gestern als „völlig aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat“ verstanden wissen. „Ich bin mit Eberhard in der ein oder anderen Sache nicht einer Meinung“, sagte er am Samstag vor dem Parteitag. „Aber es ist unsere Aufgabe, Freunde, die vorn an der Front stehen, rückhaltlos zu unterstützen.“ Und dann machte er für Diepgen auf dem Parteitag wie gewohnt den Blitzableiter.

Zweimal läßt sich der Unmut der Delegierten nicht sofort in geordnete Bahnen lenken, und in Sekundenschnelle steht Landowsky am Rednerpult. Den Unmut über die von der SPD durchgesetzte Erhöhung der Gewerbesteuer fängt er geschickt auf: „Eine schlechte Lösung hat eine noch schlechtere Alternative. Und den möchte ich sehen, der uns sagt: Dann steigt aus der Koalition aus!“ Da schweigen die Kritiker aus den Reihen des Mittelstandes.

Später, kurz vor Ende des Parteitags, springt er nochmals in die Bresche. Kreuzberger Delegierte beantragen, den Zuzug von Ausländern nach Berlin zu begrenzen. Diepgen gelingt es nicht ganz, die knapp 400 Delegierten zur Ablehnung des Antrags zu bewegen. Landowsky interveniert auch hier erfolgreich. Er hat die Partei im Griff. Was sein Verhältnis zu Diepgen angeht, sagt er: „Zwischen uns paßt kein Blatt Papier.“ Doch als Landowsky mittags seine Rede hält, schaut Diepgen die meiste Zeit wie unbeteiligt in die entgegengesetzte Richtung. Erst am Nachmittag stecken die beiden wie gewohnt die Köpfe zusammen.

Die Debatte über die umstrittenen Haushaltsbeschlüsse verläuft moderat. Die meisten Redner stellen sich hinter Diepgen. Der versucht in seiner Rede, den Haushaltsbeschlüssen eine gute Seite abzugewinnen, und beschwört das Schreckensbild einer rot-grünen Minderheitsregierung. „Diesen Leuten können wir die Stadt wirklich nicht überlassen“, sagt er in Anspielung auf das „Magedeburger Modell“ einer PDS-Tolerierung, für das sich der bündnisgrüne Fraktionschef Wolfgang Wieland am Wochenende ausgesprochen hat. „Wir haben doch nicht geackert, um die Stadt dann den Kommunisten zu überlassen!“

Mit dem Parteitag sind auch erst mal die Spekulationen um mögliche Nachfolger vom Tisch. „Schönbohm ist ein Glücksfall für die Stadt“, lobte der Abgeordnete Dieter Hapel unter heftigem Beifall. Kein Zweifel, der Exgeneral sammelt Punkte mit seinem harten Kurs gegen Hausbesetzer und Wagenburgen. Er hat, was Diepgen fehlt: Führungsstärke. Wie Bauminister Töpfer wurde er bereits als Diepgens möglicher Nachfolger gehandelt. Doch die vor dem Parteitag lancierten Berichte waren eher Nadelstiche gegen den Landesvorsitzenden. „Diepgen sitzt fest im Sattel“, meinte ein Delegierter der Jungen Union.

Diepgen zieht sich elegant aus der Affäre. Ohne auf die Debatte um seine Person einzugehen, beendet er seine Rede mit der schlichten, aber eindeutigen Ankündigung: „Ich freue mich darauf, im Jahr 2001 mit Bundeskanzler Kohl zusammen 300 Jahre Königreich Preußen zu feiern.“ Dorothee Winden

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen