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Moskauer Friedensbote erfolglos

■ Primakow kehrt mit leeren Händen aus Bagdad zurück/ Bush will Rückzug Iraks „erwirken“

Mit „leeren Händen“ mußte gestern der Sonderbeauftragte des sowjetischen Präsidenten Gorbatschow, Jewgenij Primakow, die irakische Hauptstadt verlassen. Seine am Sonntag mit dem irakischen Staatschef Saddam Hussein geführte Unterredung, von der moderate Bagdader Töne, wenn nicht gar massive Friedenssignale erwartet worden waren, ging offenbar buchstäblich in die mesopotamischen Binsen. Ein ursprünglich vorgesehenes zweites Treffen mit Saddam wurde — vermutlich war der politische Handlungsspielraum Primakows gänzlich ausgereizt — kurzerhand abgesagt.

Über den Inhalt jenes Schreibens, das Primakow dem irakischen Führer im Auftrage Gorbatschows aushändigte, wurde nichts bekannt. Spötter witzelten bereits, bei der sowjetischen Mission habe — im Gegensatz zur gänzlich zwecklosen Reise des „jordanischen Briefträgers“ König Hussein in die USA — wenigstens ein Brief seinen Adressaten zuverlässig erreicht.

In sichtlich gedämpfter Stimmung gestand der sowjetische Außenminister Schewardnadse am Sonntag abend in Paris das Scheitern Primakows ein. „Im Augenblick“, resümierte der Minister, „gibt es wenig Anlaß, optimistisch zu sein.“ Um die Tür zu möglicherweise erneuten Verhandlungen aber nicht ganz zuzuschlagen, fügte er hinzu: „Nach wie vor habe ich jedoch Hoffnung auf eine Verhandlungslösung.“

International zeitigte Primakows Scheitern unmittelbare Wirkung. Der UNO-Sicherheitsrat leitete gestern die Verabschiedung der am Samstag verschobenen zehnten Resolution gegen den Irak ein. Die Abstimmung über den Text wurde bereits für den späten Nachmittag erwartet. Mit der Resolution soll Bagdad unter anderem für alle Schäden haftbar gemacht werden, die anderen Länder durch den Kuwait-Überfall entstanden sind.

Auch der amerikanische Präsident Bush meldete sich zu Wort. Zum wiederholten Male verwies er auf die verfehlte Beschwichtigungspolitik gegenüber Hitler. „Die Welt“, so der Präsident, „hat im Zweiten Weltkrieg bitter dafür bezahlt, daß sie damals einen Aggressor nicht aufgehalten hat. Beschwichtigung führt nur zu weiterer Aggression und letztendlich zum Krieg. Diesen Fehler werden wir nicht noch einmal machen.“ Einen Krieg strebten die USA zwar nicht an, meinte Bush, „aber mehr denn je sind wir entschlossen, den Rückzug des Iraks zu erwirken“. Wie denn ein Rückzug zu „erwirken“ sei, mochte der Präsident freilich nicht verraten.

In Israel äußerte sich der Kommentator des Militärsenders, Ehud Jaari. Dem Irak, so Jaari, sei sichtlich nichts an Kompromissen gelegen. Nun bleibe eigentlich nur noch die Kriegsoption. Allerdings, schränkte der Militär-Medienmann ein, müsse es nicht unbedingt zu einem „großen Krieg“ kommen, sondern es seien auch beschränkte Kriegshandlungen denkbar.

Trotz der sich zuspitzenden Lage am Golf lehnte die EG auf ihrem Sondergipfel in Rom nationale Alleingänge strikt ab, um die im Irak festsitzenden „Gäste“ Saddam Husseins freizubekommen. Von deutscher Seite war zu hören, es sei nicht mehr zu erwarten, daß der SPD-Ehrenvorsitzende Willy Brandt in Bagdad über die Freilassung der deutschen Geiseln verhandeln werde. In der Gipfelerklärung werden indirekt auch andere Staaten aufgefordert, ebenso wie die EG zu verfahren.

Scheinbar gelassen reagierte Saddam Hussein auf die glücklose Primakow-Reise. Am Sonntag hob er die erst am vergangenen Dienstag in Kraft getretene Benzinrationierung auf — und feuerte seinen Erdölminister asch-Schalabi. Zum amtierenden Ölminister ernannte er seinen Schwiegersohn, den bisherigen Industrieminister Hussein Kamel. Saddam habe festgestellt, so verlautete aus Bagdad, daß das Ölministerium Fehlkalkulationen über den Bedarf an chemischen Zusatzstoffen für die Umwandlung von Rohöl in Benzin und andere Erdölprodukte gemacht habe. Außerdem sei man längst selbst in der Lage, die benötigten Chemikalien herzustellen. Ein wenig erinnert das sorglose Vorgehen des Präsidenten freilich an jemanden, der seine Bedenken durch allzu lautes Pfeifen bannen will. Walter Saller

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