: Moskau und Eriwan
■ Zum Konflikt mit den Armeniern in der UdSSR
Jahrzehntelang galt Sowjetarmenien als Moskaus folgsamste Republik. Denn offiziell galt die Lehre, daß dieser Restteil Armeniens seine Rettung vor türkischer Bedrohung nur dem Eingreifen Sowjet-Rußlands verdanke. Aber Moskaus unsensible Handhabung der Karabach-Krise und seine Bevorzugung der türkstämmigen Aserbeidjaner hat die armenische Langmut überstrapaziert. Die Hoffnung auf eine „gerechte Lösung“, wie sie Gorbatschow den Armeniern versprach, ist ebenso geschwunden wie der Glaube seinen Reformwillen in einem Nationalitätenkonflikt, der älter als die Sowjetmacht ist: Schon die Zaren haben ihre armenischen Besitzungen in Trans -Kaukasus niemals zu einer Verwaltungseinheit vereint. Für die Armenier ist dieser Zusammenschluß keine nationalistische Prinzipienreiterei, sondern eine Frage des nationalen Überlebens. Das Armenier-Pogrom von Sumgait und die anti-armenischen Übergriffe in Karabach geben ihrem Standpunkt Recht.
Moskaus Harthörigkeit gegenüber dem Massenprotest hat die Karabach-Krise zu einer direkten Konfrontation mit der sowjetischen Zentralregierung ausgeweitet. Dabei rächt es sich, daß die sowjetische Regierung und Parteiführung einen Autoritätsverlust der armenischen Kommunisten herbeiführte, indem sie den Widerruf eines Beschlusses vom erzwang, in dem der Oberste Sowjet Armeniens dem Karabacher Anschlußbegehren zustimmte. Gorbatschows Beschlußpartner sind jetzt die Mitglieder der Karabacher und Eriwaner Organisationskomitees, die als einzige noch Masseneinfluß und Ansehen bei der armenischen Bevölkerung genießen.
Tessa Hoffmann, „Gesellschaft für bedrohte Völker“
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